Backstein kann auch anders

Kolumne

Jörg Munzinger schreibt in seiner Kolumne „#urbnhafencity“ über seine Eindrücke und Beobachtungen in der HafenCity. Seine Leidenschaft sind Immobilien, Architektur und Städtebau. Er wohnt in der HafenCity.

Die HafenCity besteht nicht nur aus teuer spiegelnden Glasfassaden und der nun so hoch gelobten Elbphilharmonie. Ganz im Charakter der Speicherstadt wächst östlich der schicken Kaibauten ein baulich anspruchsvolles Quartier. Alles soll nach Wunsch des Oberbaudirektors in rotem Ziegel gehalten sein. Und so liegt die Herausforderung darin, das Alleinstellungsmerkmal mit ästhetischem Fingerspitzengefühl hervorzuarbeiten. Besonders gelungen ist dies in der Shanghaiallee. Hier findet man einen denkmalgeschützen Fabrikbau von 1904 genauso, wie eine sich subtil einfügende, expressive Klinkerarchitektur. Das alles in Sichtweite zum Weltkulturerbe der Speicherstadt.

Shanghaiallee – Nur roter Klinker und trotzdem nicht langweilig (Foto: J. Munzinger)
Shanghaiallee – Nur roter Klinker und trotzdem nicht langweilig (Foto: J. Munzinger)

Mit leichten Abweichungen jenseits der geraden Hauswand reihen sich architektonisch herausragende Fassaden aneinander. Fenster zaubern ein bewegtes Wellenbild in die Lochfassade, die Delle des Ökumenischen Forums drückt sich „wie der Fingerabdruck Gottes“ in die Hauswand bis zum Hintergarten und auf der anderen Seite drehen sich Ecken und Dachvorsprünge zur Straße.

Im Marketing der HafenCity findet die Shanghaiallee kaum Erwähnung. Doch was hier entsteht ist Großstadt: Dynamik und Energie in der Ästhetik der Kontorhaus-Architektur aus den 1920-30 Jahren. Die Fassaden der Häuser entlang der Allee sind jede einzigartig, unverwechselbar und folgen nicht jedem trendigen Stil. Hier ist HafenCity noch authentisch und lebt im Geiste der Geschichte weiter.

Der Städtebau der Shanghaiallee hält sich an den Prinzipien der historischen Kontorviertel: klare Blockstrukturen und Fassaden in einheitlichen Erscheinungsbild mit rotem Klinker. Die alten Kontorhäuser folgten vor knapp 100 Jahren noch einer weiteren Idee: kleine, flexible Einheiten wurden in einem großen Haus kombiniert mit einer Mischung unterschiedlicher Nutzungen. Genau dies wurde in der Shanghaiallee umgesetzt. Und wenn die Allee einmal in Gänze fertiggestellt ist, wird sie sich mit passenden publikumswirksamen Läden ebenfalls belebt zeigen.