Ein Mord und ein Ehrenwort oder Die Wirklichkeit ist spannender als jeder Krimi

Heinrich Wille bei der Schwarzen Hafen-Nacht in der Kaffeerösterei
Heinrich Wille bei der Schwarzen Hafen-Nacht in der Kaffeerösterei

Heinrich Wille bei der Schwarzen Hafen-Nacht in der Kaffeerösterei

11. Oktober 1987: Einer der größten nationalen Polit-Skandale findet seinen Höhepunkt: Uwe Barschel, ehemaliger Ministerpräsident von Schleswig Holstein, wird tot in der Badewanne eines Hotels in der Schweiz aufgefunden. Hat sich Barschel, der in Skandale und Machenschaften verwickelt war, umgebracht? Oder wurde er ermordet? 1992 trat Heinrich Wille seine Stelle als Leiter der Lübecker Staatsanwaltschaft an und wird Chef der Ermittler im Fall Barschel. Er glaubt nicht an Selbstmord. Sein Buch „Ein Mord, der keiner sein durfte“ durfte er erst nach seiner Pensionierung veröffentlichen. Am 30. Oktober 2012 tritt Heinrich Wille in der ausverkauften Schwarzen Hafen-Nacht auf: Er berichtet von seinen damaligen Ermittlungen und gibt einen Einblick in die Persönlichkeit des Uwe Barschels: Was für ein Mann ist Barschel, der mit 38 Jahren jüngster Ministerpräsident der BRD wurde? Wie geht er mit den Machenschaften Pfeiffers, seinem Medienreferenten, der eine Verleumdungskampagne gegen den SPD-Herausforderer Björn Engholm startete, um? Wie ist der Lebenswille eines Menschen, der kurz zuvor als einziger einen Flugzeugabsturz überlebt hat und konstatiert, dass Gott noch etwas mit ihm vorhabe? Wieso hinterlässt Barschel – wenn man der Suizidtheorie folgte – keinen Abschiedsbrief? Barschel lebe in einem festen Umfeld, habe Familie und gute Freunde. Barschel sei keine suizidale Persönlichkeit, so Wille. Im Gegenteil: Barschel sei eine starke Persönlichkeit gewesen, der Pläne hatte, nach Kanada zu gehen und der auch wieder in einer Kanzlei hätte arbeiten können. Im Krieg ständen Menschen viel größere Katastrophen durch, ohne sich umzubringen.

Wie immer großer Andrang bei der Lesung in der Kaffeerösterei
Wie immer großer Andrang bei der Lesung in der Kaffeerösterei

Barschel stirbt an einer Überdosis verschiedener Medikamente. „Eine sehr komplizierte Art, sich umzubringen“, so Wille. Das Gutachten vom Toxikologen Hans Brandenberger stellt fest, dass die Medikamente zeitverzögert gereicht wurden – und Barschel durch die Zusammenstellung und Dosierung nicht selbst in der Lage gewesen sein konnte, nachträglich das tödliche Cyclobarbital eingenommen zu haben. Die Informationslieferung durch den BND sei schleppend: Zwar würden Informationen gestellt, aber nicht gewichtet beziehungsweise bewertet. Eine volle staatliche Unterstützung für Ermittlungen gäbe es nicht. Die Indizien, die für Mord sprechen, seien vielfältig: Das finge bei einer kleinen Whiskyflasche, die ausgespült wurde und Spuren von Diphenhydramin enthielt, an. Im Juli 2012 wurde in der Welt am Sonntag bekannt, dass DNS-Rückstände einer fremden Person an Barschels Kleidern und am Handtuch im Hotelbadezimmer gefunden wurden – wer war bei ihm, als er starb? Und: Warum werden die neuen Spuren nicht weiter verfolgt? Warum hat die Regierung kein Interesse daran, zu klären, wie und warum ein deutscher Spitzenpolitiker im Ausland ums Leben kam?

Ein Abend, der zumindest eines klar beweist: Die Wirklichkeit ist spannender als jede ausgedachte Geschichte. (AF)

Ausblick auf die nächsten Schwarzen Hafen-Nächte in der Kaffeerösterei, Kehrwieder 5:

21. Dezember 2012, 20 Uhr: „Kaufen Sie keine Weihnachts-Geschenke! Freitag, 21. Dezember, ist Weltuntergang!“

Und falls die Welt dann doch nicht untergegangen ist:

28. Dezember 2012, 20 Uhr: „Miss Sophie oder – wer hat den Tiger umgebracht?“