Gefunden vom Schlossherrn

Norwegen
Norwegen

Christians Beifang

Es nieselte zwar an diesem Sonntag, aber ich hatte den Mädels versprochen, wieder mit ihnen auf Schatzsuche zu gehen. Henni und ich trafen Sophie in der Speicherstadt und gemeinsam, mit Schaufel und Bürste bewaffnet, machten wir uns auf den Weg in die HafenCity.

Unsere erste Baustelle sollte heute die neue U-Bahn-Baustelle an der Versmannstraße sein. Dort hatte die Hochbahn große, dunkle Erdhaufen aufgeschüttet. Zum Glück waren diese nicht direkt auf dem Baufeld und damit nicht abgesperrt. Sophie stürmte sofort los, rauf auf den Hügel, rein in den feuchten Matsch! Henni schlich erst mal um die Hügel herum und suchte, was der Regen der vergangenen Tage heruntergespült haben könnte.

„Ich hab was!“, schallte es ständig in meinen Ohren, beantwortet wie aus der Pistole geschossen: „Ich auch!“ Der überwiegende Teil waren Scherben von einfacher Gebrauchskeramik, kaputte alte Bierflaschen oder Zähne, vermutlich von Pferden, die hier auf den Brooklandschaften im Mittelalter ihr Gnadenbrot gefunden hatten.

Die kleinen Schatzsucher
Die kleinen Schatzsucher

„Legt die Fundstücke erst mal auf einen Haufen, dann habt ihr die Hände frei“, erklärte ich und musste zum Leidwesen der Mütter feststellen, dass die beiden bereits eine Unzahl schlammiger Funde in ihre Taschen gesteckt hatten. Die beiden sahen schon nach fünf Minuten aus wie echte Tiefbauer, von Kopf bis Fuß besudelt, inklusive dunkler Strähnen im blonden Haar. An Gummistiefel hatte ich auch nicht gedacht, sodass ich beschloss, schnellstmöglich wieder ins Trockene zu kommen.

„Ich hab ’ne Kanonenkugel gefunden!“, tönte Sophie von der Spitze des höchsten Matschgipfels herunter. Stolz hielt sie einen dunklen Stein in den Himmel. „Genau! Und ich bin Claas[A1]  Störtebeker“, gab ich ihr zurück. Henni robbte sich durch den Matsch zu Sophie auf den Hügel, und beide begutachteten die vermeintliche Donnerkugel. „Ist wirklich eine Kanonenkugel! Papi, schau mal, Sophie hat wirklich eine Kanonenkugel gefunden“, insistierte meine Tochter, sodass ich mir den Stein nun auch anschauen musste.

Mit klammen Händen nahm ich den Stein in eine Hand und wischte mit der anderen den Schlick ab. „Donnerlüttchen!“, da waren tatsächlich Gussspuren zu erkennen. Ein Stein war das nicht. Richtig überzeugt war ich aber auch nicht und beschloss, das Stück zur Bestimmung später den Fachleuten vom Maritimen Museum zu übergeben. Das Ergebnis bestätigte es: Die Kanonenkugel gehört zu einer Sechs-Pfünder-Kanone, um 1600, ist aus Schamott und wurde in Braunschweig angefertigt.

Da musste ich erst mal schmunzeln! Aus Braunschweig? Wollte das kleine Braunschweig um 1600 unsere große Hansestadt etwa erobern? Wenn Sie, verehrter Leser, mehr darüber wissen, freuen wir uns, wenn Sie uns aufklären können!

Fundstücke
Fundstücke

Angefeuert durch diesen ersten Fund des Tages, wollte die Begeisterung für unsere Schatzsuche kein Ende finden. Die Mädels wollten unbedingt noch auf die nahe gelegene Baustelle der heutigen Katharinenschule weiterziehen. Der andauernde Regen konnte sie nicht davon abhalten, und auch die in Aussicht gestellte heiße Schokolade, mit Sahne, konnte sie nicht stoppen. Bin ich ja auch selber schuld, dachte ich, denn das hatte ich ihnen ja erklärt: „Der Regen wäscht die Schätze aus dem Erdreich, bringt sie zum Glänzen, sodass man sie leichter finden kann.“ Vor allem die weißen Tonpfeifen sind dann leicht gegen den dunklen Aushub auszumachen, von Gold- und Silbermünzen ganz zu schweigen. Der Eifer wurde auch auf dieser Baustelle recht schnell belohnt. Neben einem Dutzend einfacher Gebrauchskeramiken, alten Messerklingen, Pferdezähnen und Schiffsnägeln fanden sich zwei Pfeifenköpfe, wie ich sie noch nie gefunden habe. Mit Wappen verziert, unglaublich fein gearbeitet und bestens erhalten. Beim späteren Ausklopfen im Fleetschlösschen fanden sich noch Spuren von Tabak! Kann man nur hoffen, dass den Offizier nicht die Kanonenkugel getroffen hat, während er, siegessicher rauchend, auf der Brücke seines Kriegsschiffes stand. Wo der Seebär wohl herkam? Die Fachleute vom Maritimen Museum konnten uns auch hier aufklären: „Die Wappen der Tonpfeifen sind schwierig zu bestimmen, der Löwe mit Schwert auf der größeren ist Norwegen, die Sterne lassen sich aber nicht zuordnen, gehören wohl zu einem Adelsgeschlecht. Die kleinere ließ sich nicht bestimmen, stammt aber sicher aus gräflichem Besitz. Die Pfeifenteile sind alle aus dem 17. Jahrhundert.“ Auch hier sind Sie, verehrte Leser aufgerufen, uns zu helfen, und als Entlohnung für die richtige Antwort winkt dieses Mal ein Gewinn in Form eines Gutscheins in Höhe von 50 Euro. Wer als erster ein Fax mit dem Adelsgeschlecht an die Redaktion sendet, hat gewonnen!

 

 

 


 [A1]Das soll doch Claus heißen, oder???