Hamburg Wahl 2011: Anja Hayduk

Nach einem schriftlichen Interview gibt es nur ein Archivbild
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Anja Hajduk (47 Jahre) ist Diplom-Psychologin. Als Spitzenkandidatin der GAL Hamburg führt sie die Landesliste Ihrer Partei an.
Von 2002 bis 2008 war sie Mitglied des Bundestages. Von2008 bis zum 29.11.2010 war sie Senatorin und Präses der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU).

HCZ: Frau Hajduk, Sie haben zweieinhalb Jahre in Hamburg mitregiert. Als Präses der BSU leiteten sie eine Behörde, die „das Gesicht“ der Stadt entscheidend prägt. Eine Ihrer ersten Aufgaben war die Genehmigung des Steinkohlekraftwerkes Moorburg. Was ist Ihnen und Ihrer Fraktion in dieser kurzen Legislaturperiode gut gelungen?

Wir konnten in dieser kurzen Zeit viele wichtige Projekte auf den Weg bringen. So haben wir zum Beispiel mit Hamburg Energie ein neues städtisches Energieunternehmen gegründet, das ausschließlich Energie ohne Kohle und Atom anbietet und in Hamburg die erneuerbaren Energien ausbaut. Die Mittel für den Radverkehr haben wir vervierfacht und Großprojekte, wie den Sprung über die Elbe und den Deckel über die A 7 genutzt, um die Lebensqualität in Hamburg weiter zu verbessern. Wir haben den Masterplan für die östliche HafenCity überarbeitet und mit dazu beigetragen, dass dieser neue Stadtteil mit mehr Grünflächen, mehr preiswerten Wohnungen und dem Kreativquartier am Oberhafen noch lebendiger und grüner werden wird. In der Bildungspolitik haben wir die Kita-Betreuung ausgebaut, neue Ganztagsschulen eingerichtet und die Klassen verkleinert. Die Liste ließe sich noch weiter fortführen.

HCZ: …und was ist Ihnen und der Fraktion nicht gut gelungen?

Natürlich mussten wir auch Niederlagen einstecken. Dazu gehört natürlich, dass wir rechtlich gezwungen waren, das Kohlekraftwerk Moorburg zu genehmigen. Aber auch die Niederlage bei der Abstimmung um das längere gemeinsame Lernen tat natürlich weh.
Das gehört aber zu einer Demokratie dazu, dass man auch Niederlagen einstecken muss. Und für uns bedeutet mehr Bürgerbeteiligung nicht, dass wir nur noch das machen wollen, wofür wir sofort die Mehrheit hinter uns wissen, sondern für unsere Ideen auch sehr ernsthaft für Mehrheiten werben.   

HCZ: Hamburg verfügt derzeit nicht über einen Masterplan Verkehr, einzelne abgestimmte Verkehrskonzepte insbesondere für Innenstadt und HafenCity liegen auch nicht vor. Auf welcher Grundlage sollen künftig Entscheidungen zu Verkehrsmittel und Verkehrswege getroffen werden? In welchem Umfang werden Bürger und Unternehmen an den Planungen beteiligt? Wie können aus Ihrer Sicht frühere Planungsdefizite (z.B. fehlendes Verkehrskonzept Elbphilharmonie) geheilt werden?

In der Tat hat es in der Vergangenheit an einer gut aufeinander abgestimmten Verkehrspolitik gemangelt, die alles gleichermaßen berücksichtigt hat – Auto, Fahrrad, öffentliche Verkehrsmittel und Fußgänger.
Wir haben da in den vergangenen Jahren zum Beispiel mit dem Beteiligungsverfahren zu den Verkehrsprojekten im Süden Hamburgs und auch dem Masterplan zur östlichen HafenCity viel Aufbauarbeit geleistet. Wir streben aber in Zukunft ein hamburgweites Verkehrskonzept an.
Ich habe mich als Senatorin zudem dafür stark gemacht, dass große Infrastrukturprojekte nicht ohne seriöse Planung und Beteiligung der Bürger auf den Weg gebracht werden. Daher hatte der Senat zum Beispiel zum Bau der Stadtbahn noch auf meine Initiative ein Bürgerforum beschlossen.  

HCZ: Derzeit fehlen in Hamburg jährlich mindestens 6.000 Wohnungen. Die Baustandards im Neubaubereich liegen insbesondere bei den energetischen Massnahmen deutlich über die Anforderungen im Bund. Wie wollen Sie erreichen, dass künftig ausreichend bezahlbarer Wohnungsraum zur Verfügung gestellt werden kann? Steht der Kostenaufwand für die in Hamburg spezifischen Massnahmen im Verhältnis zu den Einsparungen in den Emmissionswerten?

Dass wir in Hamburg nicht genug Neubauten haben liegt nicht an den energetischen Standards, sondern daran, dass in den vergangenen Jahren nicht genug Flächen zur Verfügung standen und die Flächen, die es gab, insbesondere für teure Wohnungen genutzt wurden.
Wir haben zum Beispiel mit den Planungen zum Deckel über die A 7, der Entwicklung der Mitte Altona, der Umwidmung von Gewerbeflächen für den Wohnungsbau und auch bei dem Masterplan für die östliche HafenCity erhebliches neues Potential gerade für bezahlbare Wohnungen geschaffen. Ein wichtiger Punkt war sicherlich auch die Abkehr von dem Höchstpreisverfahren. Künftig ist bei der Vergabe städtischer Flächen für den Wohnungsbau das Konzept des Bauträgers entscheidender, als der zu erzielende Preis.
Es ist aber auch richtig, dass wir bei Wohnungen, die heute neu gebaut werden, viel Wert auf einen hohen energetischen Standard legen sollten. Nicht nur, um die notwendigen Klimaschutzziele zu erreichen, sondern auch, um die Mieter vor zu hohen Nebenkosten zu schützen und teure nachträgliche Sanierungen zu vermeiden. Mir ist aber wichtig, dass wir für die Standards im Gespräch einen gemeinsamen Weg mit der Wohnungswirtschaft und den Mieterverbänden finden.

HCZ: Die Mittel für die Bezirksämter, die vor Ort Aufgaben , wie z.B. die Pflege von Parks oder die Instandsetzung von Straßen übernehmen, reichen bei weitem nicht aus. Welche Maßnahmen kann ein künftiger Senat, in dem die GAL mitregiert, ergreifen? Wie soll erreicht werden, dass die Bezirke ausreichend Mittel zur Verfügung bekommen?

Eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Bezirke gerade in den Bereichen, die unmittelbar die Lebensqualität vor Ort betreffen ist in der Tat sehr wichtig. Wir haben daher zum Beispiel nach dem letzten Extrem-Winter die Mittel für die Straßensanierung erheblich ausgeweitet, auch für die Bezirke.  
Wir müssen aber auch seriös mit den Finanzen umgehen. Ich werde daher nicht, wie es manch ein Mitbewerber im Wahlkampf gerne macht, nicht zu haltende Finanzversprechen machen, die dann nach der Wahl gleich kassiert werden.    

HCZ: Sowohl SPD als auch GAL sehen sich nach der Wahl als Wunschpartner in einer möglichen Koalition. Herr Scholz und die SPD gaben der Einführung der Stadtbahn eine deutliche Absage und auch über den Rückkauf der Energienetze sind Sie uneins! Worin bestehen die viel beschworenen Schnittstellen zwischen GAL und SPD?

Natürlich gibt es deutliche Unterschiede zwischen uns und der SPD. Die SPD steht zum Beispiel für eine sehr auf den Hafen ausgerichtete Wirtschaftspolitik die nachhaltige Konzepte vermissen lässt. Auch bei den von Ihnen angesprochenen Themen Stadtbahn und Energienetze droht die SPD die notwendigen Entscheidungen für eine innovative Infrastruktur der Stadt links liegen zu lassen.
Darum ist es wichtig, dass wir eine absolute Mehrheit der SPD verhindern. Denn es wäre nicht gut, wenn die in großen Teilen strukturkonservative SPD unsere Stadt alleine regieren würde.  
Insbesondere in der Sozial- und Bildungspolitik gibt es aber auch große Schnittstellen. Ich bin daher guter Dinge, dass wir gemeinsam eine Politik für Hamburg machen können, die unsere Stadt lebenswerter und gerechter macht.