Eine Reise durch Zeit und Raum

BUCHTIPP

 „Im Hotel The Cliffs roch es leicht nach Lavendel, aber der darunter liegende Gestank verfaulten Kohls war nicht zu überdecken. Ariel fühlte sich an die Methode älterer Leute erinnert, die so mangelnde Hygiene vertuschen. Ein altes Transistorradio in brauner Lederhülle quäkte hinter dem Tresen wehmütig Lieder aus der guten alten Zeit. Der Rezeptionist drehte sich um und schaltete es aus. Stille legte sich wie Schimmel über die Lobby.“

 

Ariel Panek, Professor für Informatik an der Universität Boston, soll auf einem Kongress in Amsterdam über Algorithmen sprechen. Seine heimliche Geliebte Zeva, eine Studentin, will er in Amsterdam treffen. Sie nehmen unterschiedliche Flüge, damit ihre Affäre unentdeckt bleibt.

 

Foto 01.05.16 11 35 15Während Zeva in Brüssel ankommt und auf eine Nachricht Ariels wartet, wird Ariels Anschlussflug aus London gestrichen. Durch undurchdringlichen Nebel bringt ihn ein Taxifahrer ins weit entfernte Hotel The Cliffs. Ein Ort wie aus einer anderen, vergangenen Welt, ohne WLAN, ohne Handyempfang, muffig und am Hang der Klippen gebaut. Anstatt die Nacht mit seiner Freundin Zeva zu verbringen, steht Ariel eine Nacht der anderen Art bevor, die auf beiden Seiten des Ärmelkanals alle Gewissheiten ins Wanken bringt.

 

Im The Cliffs befinden sich außer dem merkwürdigen Hotelbesitzer die Borgias, eine neurotische Familie. Es sind die einzigen Gäste im Küstenhotel. Leonard wartet auf eine wichtige Nachricht. Die Grand Dame, Margot, sitzt im Rollstuhl. Ihre Tochter Olivia wirft ein Auge auf Ariel, währenddessen sich der kleine Sohn mit einem Computerspiel hinter der Gardine versteckt. Und dann ist da noch Gretchen – dünn und durchsichtig wie ein Gespenst, schwebt sie durch den Raum und redet wirres Zeug.

 

Ariel wird von der Familie gefangengenommen, verbringt den Abend mit ihnen in der Lounge, die vom Rauch des Kamins und Leonards Zigaretten erfüllt ist. Zwischen leichter Plauderei und Diskussionen über künstliche Intelligenz muss Ariel einsehen, dass es für ihn kein Entkommen in die Realität und zur Konferenz nach Amsterdam gibt – 
die Ereignisse eskalieren.

 

„Im Chaos seiner Gedanken fiel ihm einfach nicht ein, was eigentlich schief gelaufen war, wo sich der Wind gedreht hatte.“

 

Mit „Frühstück mit den Borgias“ schafft DBC Pierre nicht einfach einen Roman – es ist ein Stück in drei Akten, in dem die Protagonisten wie Theaterschauspieler auf- und abtreten, interagieren, aber niemals ausreißen können. Die Endgültigkeit, sich mit der gegebenen Situation abfinden zu müssen, erinnert an Jean Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ – 
auch hier sind Personen, die sich nie vorher begegnet sind, für alle Ewigkeit in einem Hotelzimmer eingeschlossen. Mit „Frühstück mit den Borgias“ ist DBC Pierre ein kleines Meisterstück geglückt, das in einem furiosen Finale endet. n     AF

 

DBC Pierres „Frühstück mit den Borgias“ ist im März 2016 bei Blumenbar erschienen Hardcover | 18 Euro