Oben Brot, unten Turm

Das Modell des Turms
Das Modell des Turms
Der historische Bischofsturm am Speersort ist über eine Backfiliale wieder zugänglich

„Beginnen Sie Ihren Tag, wo Hamburg begann“, lädt Dat Backhus neben der St.-Petri-Kirche zu einem Besuch ein. Auf einem anderen Plakat am Eingang ist das Konzept dieses ungewöhnlichen Backshops kurz und knapp beschrieben: „Oben Brot, unten Turm.“ Denn die Besucher, die sich im Untergeschoss der Bäckerei in einem Rund aus riesigen Findlingen zu Kaffee und Kuchen niederlassen, unternehmen zugleich einen Ausflug in die frühe Stadtgeschichte – in den historischen Bischofsturm. Das ringförmige Turmfundament hat einen Durchmesser von 19 Metern: Es ist das älteste erhaltene Steingebäude der Hamburger Altstadt und befindet sich direkt neben dem Domplatz, der Keimzelle der Hansestadt. Auf dieser Geesthöhe ließen sich vor über 1.000 Jahren die ersten Siedler Hamburgs nieder, und dort bauten sie vermutlich auch die Hammaburg, die der Stadt ihren Namen gab. Dort baute auch der Benediktiner Ansgar die erste Holzkirche als Missionsstützpunkt, bevor er beim Wikingerüberfall 845 nach Bremen flüchtete. Der Holzkirche folgte später der steinerne Mariendom. Wo sich einst die Pfeiler der später fünfschiffigen Haupthalle des mittelalterlichen Doms befanden, dort stehen heute auf dem Domplatz die 39 beleuchteten Bänke.

 

Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss im Museum
Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss im Museum
Der gewaltige Steinring aus Findlingen gleich gegenüber wurde 1962 entdeckt, als das Gelände von dem letzten Trümmerschutt geräumt wurde. Der sensationelle archäologische Fund wurde schnell als Bischofsturm bekannt, denn der Steinring wurde als Fundament eines mehrgeschossigen Wohnturms des Bischofs Bezelin-Alebrand (1035–43) interpretiert. Nur über eine Leiter, die bei Gefahr eingezogen werden konnte, war der Turm über den ersten Stock erreichbar. Neue Erkenntnisse erbrachten die Ausgrabungen auf dem Gelände rund um St. Petri im Jahr 2008: „Nach den Auswertungen wurde der Turm erst im zwölften Jahrhundert gebaut“, so Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums Hamburg. Im zwölften Jahrhundert allerdings hatten sich die Erzbischöfe schon nach Bremen zurückgezogen. Der Turm war deshalb wohl eher ein Teil der ältesten Stadtbefestigung Hamburgs, des sogenannten Heidenwalls.

Seinen Namen hat der Turm trotzdem behalten. Früher war er im Untergeschoss des Gemeindezentrums von St. Petri integriert. Das Gemeindezentrum wurde 2008 abgerissen. Im Neubau des Geschäftshauses, dem sogenannten St.-Petri-Hof, ist nun eines der bedeutendsten Baudenkmäler Hamburgs wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Werktags können Interessierte zu den Öffnungszeiten der Bäckerei über die gläserne Treppe hinab in die Außenstelle des Archäologischen Museums steigen. In der Ausstellung ist noch eine weitere Attraktion zu bestaunen: der originalgetreue Nachguss des 1.000 Jahre alten Hamburger Domgeläuts. Ganz in der Nähe des Bischofsturms war bei Ausgrabungen 1986 die Glockengussgrube des alten Doms entdeckt worden. Sie wurde zum Nachguss der Domglocken aus dem alten Mariendom verwendet. Daneben dokumentiert das Archäologische Museum in Vitrinen die aktuelle Arbeit: Siedlungsfunde, Grabbeigaben, Waffen und Steingeräte sind dort ausgestellt.

Für Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss ist der Backshop mit Museum – oder das Museum mit Bäckerei – die ideale Lösung: „So ist das Archäologische Museum wieder mittendrin in der Stadt und direkt am Domplatz vertreten. Dort ein Schaufenster zu haben, ist wunderbar!“ Schon jetzt habe das Museum viele Anfragen von Stadtführern erhalten, die künftig ihre Touren am Bischofsturm beginnen oder sie dort bei einer Tasse Kaffee beenden lassen möchten. Das Museum bietet neuerdings auch selbst an jedem ersten Montag im Monat ab 16:30 Uhr vom Bischofsturm aus eine Führung durch das mittelalterliche Hamburg an. „Dabei kann man feststellen, dass noch ganz viel von der mittelalterlichen Stadt spürbar ist“, verspricht Prof. Weiss. Der erste Rundgang findet am 5. März statt.
Auch die Bäckerei Dat Backhus hat ihr Angebot auf den speziellen Standort ausgerichtet. In der Filiale am Speersort gibt es exklusiv ein Bischofsbrot. Das Besondere an dem Roggen-Weizen-Mischbrot ist die Zubereitung: „Wir nehmen für den Teig Weißwein statt Wasser, dadurch wird das Aroma milder“, verrät Filialleiter Kristian Haeske.

Dat Backhus
Speersort 10
Öffnungszeiten: montags bis freitags 7 bis 19 Uhr, samstags 7 bis 18 Uhr