Zukunftsrat kritisiert HafenCity-Entwicklung

Die Verkehrsinfrastruktur orientiert sich am Kfz
Die Verkehrsinfrastruktur orientiert sich am Kfz
Kurzstudie empfiehlt Moratorium

Ein Aufschrei ging durch die HafenCity: Schon wieder will jemand dem neuen Stadtteil an der Elbe ans Leder. Der Hamburger Zukunftsrat hatte eine Studie zur Nachhaltigkeit des neuen Stadtteils in Auftrag gegeben und diese war in Teilen sehr kritisch mit den entstandenen und geplanten Strukturen umgesprungen – doch wer sich mit der Studie inhaltlich auseinandersetzt kommt zu einem differenzierteren Urteil als viele Medienechos. „Um aber von vornherein noch einem Missverständnis vorzubeugen: Es geht im Folgenden nicht darum, ob die HafenCity gefällt, ob sie „angenommen“ wird, modern und attraktiv ist. Dies kann man schon heute weitgehend bejahen. Ein Sonntagsspaziergang über die sonnigen Promenaden des Sandtor-und Dalmannkais kann durchaus begeistern. Bei der Nachhaltigkeit der HafenCity geht es jedoch um „die inneren Werte“, um das, was hinter den Fassaden steckt, um die Zukunftsfähigkeit, die der Architektur nicht ohne weiteres anzusehen ist.“ so leitet der Autor ein und im Folgenden geht es tatsächlich um Nachhaltigkeit und weitgehend nachvollziehbare Kritik.

Ein wenig nachhaltiges und modernes Konzept
Ein wenig nachhaltiges und modernes Konzept
In zehn Aspekten untersucht Jochen Menzel ob die HafenCity die Kriterien eines nachhaltigen Stadtteils im Sinne der von dem UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio entwickelten „Agenda 21“erfüllt – mehr nicht. Dabei stimmt er in einigen Bereichen durchaus den Schlussfolgerungen und selbst den Marketingaussagen der Stadtplaner zu, interessanterweise kritisiert er die HafenCity aber in denselben Punkten, die auch Ursache für täglichen Ärger in der HafenCity sind. Das Beispiel Verkehr macht deutlich, dass das gefühlte subjektive Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht nur die Anlieger beeinträchtigt, sondern auch durch die Studie bestätigt wird.

 

Staus sind die Folge
Staus sind die Folge
Menzel bemängelt, dass trotz des Anspruches einen nachhaltigen, modernen Stadtteil zu planen die Verkehrsinfrastruktur sich „ganz konservativ vor allem am Kfz orientierte“. Eine Schlussfolgerung, die entgegen den Beteuerungen der Planer nicht den konkreten Alltagserfahrungen der HafenCity widerspricht. „Zwar sind die Promenaden, Plätze und Terrassen an der Wasserkante ein autofreies Fußgänger-Paradies. Nachhaltige Mobilität im eingangs genannten Sinne ist jedoch nur durch einen weitgehenden Verzicht auf das Auto im Alltag und einen Umstieg auf den nicht motorisierten Verkehr bzw. den ÖPNV zu erreichen, nicht durch ein sonntägliches Flanieren oder Umherfahren auf der Uferpromenade. Voraussetzung für Nachhaltigkeit im Verkehr ist es vielmehr, dass für die Wege zum Arbeits-, Ausbildungs- oder Einkaufsort und wieder nachhause schnelle, komfortable und sichere Verbindungen für Radfahrer (und Fußgänger) geschaffen werden. An solchen Alltagsverbindungen fehlt es jedoch vollständig.“ Wer sich einmal mit dem Fahrrad in der HafenCity bewegt hat kann dem nur zustimmen: „Die derzeitige und auch die absehbare Situation für Fahrradfahrer in der HafenCity ist jedoch eher gefährlich als attraktiv.“ Ebenfalls im Fokus der Kritik: Die Art wie der Autoverkehr geplant wird. Das zu erwartende Autoaufkommen wird einfach hingenommen und die vorhandenen Wege danach optimiert. Es wird in keiner Weise versucht den Verkehr zu reglementieren oder gar zu verhindern. Die Folge: Eine zweite Ost-West-Querung neben der Willy-Brandt-Strasse wird entstehen mit einer zusätzlich trennenden Wirkung der HafenCity von der Innenstadt. Das diese Trennung nicht nur verkehrstechnisch ein Problem werden könnte wird als zweites Risiko erkannt. Eine Innenstadterweiterung im Sinne des Einzelhandels wird nur dann stattfinden, wenn diese trennenden Faktoren aus Strassen, Fleeten und Gebäuderiegeln überwunden werden können. Die Studie findet aber auch an diversen Punkten lobende Worte für die HafenCity: „… ist die Nutzung von Konversionsflächen zur Errichtung eines neuen Stadtteils („brownfield development“) besonders nachhaltig. Sie erspart die Neuerschließung naturnaher Flächen und damit einen zusätzlichen Flächenverbrauch in der Größe des Stadtparks oder (fast) der Außenalster. Auch das Nachhaltigkeitsgebot einer effizienten Flächennutzung durch verdichtete, mehrstöckige Bauweise erfüllt die HafenCity in besonderem Maße.“ Sowohl für die inzwischen angehobenen Standards für ökologisches Bauen als auch für die Energieversorgung der östlichen HafenCity findet die Studie positive Ansätze.

Und FRust
Und FRust
Abseits von nachvollziehbarer Kritik gibt es aber auch Punkte in der Studie, die entweder nicht die aktuellen Planungen berücksichtigen – so die Kritik an der Planung der größeren Grünflächen – oder schlicht inzwischen korrigierte Probleme behandelt. Die neu überarbeiteten Konzepte für den Lohsepark zeigen die Reaktions- und Kritikfähigkeit der planenden Stellen, die öffentliche Diskussion des Masterplans für die östliche HafenCity erfüllt alle Kriterien für adäquate Bürgerbeteiligung. Drastisch und daher nicht nachvollziehbar ist die Forderung nach einem Moratorium für den Bau der östlichen HafenCity. Die Erfahrung in der HafenCity hat gezeigt, dass im großen und Ganzen alle beteiligten Stellen lernfähig sind und durchaus auch reaktionsschnell handeln können.

Nachhaltiger wären moderne Verkehrkonzepte
Nachhaltiger wären moderne Verkehrkonzepte
Ein letzter Punkt, der aber von den planenden Stellen durchaus schon gesehen wird, sollte zu denken geben: „In der östlichen HafenCity werden die Grundstückserschließungskosten jedoch mindestens ebenso hoch sein wie in der westlichen HafenCity; aber wegen der ungünstigeren Lage werden die Grundstücke voraussichtlich geringere Verkaufspreise erzielen. Hamburg müsste die Wohnkosten für weniger einkommensstarke Nutzer also sehr stark subventionieren. Dies wird ohne erhebliche neue Staatsschulden nicht gelingen. Außerdem ist die Lage am Baakenhafen und bei den Elbbrücken wegen starker Lärmbelastung kein idealer Wohnstandort. Andere große Konversionsflächen in der Stadt (Neue Mitte Altona, Wilhelmsburg, Lettow-Vorbeck- Kaserne) sind besser geeignet.“