Auf Sand gebaut

Zollkanal bei Ebbe – es riecht nach Meer (Foto: C. Munzinger)
Zollkanal bei Ebbe – es riecht nach Meer (Foto: C. Munzinger)

Der wachsende Tidenhub nagt nicht nur an der Speicherstadt

Die Elbvertiefung hat nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen. Schon alle vorherigen sogenannten Fahrrinnenanpassungen hatten auch Nebenwirkungen auf andere Bereiche, nicht zuletzt auf den Tidenhub.

Der Tidenhub ist die Differenz zwischen Ebbe und Flut und ist seit dem 19. Jahrhundert erheblich größer geworden, d.h. die Flutpegel sind höher – rund einem halben Meter – als noch um 1870, die Ebben niedriger – rund 1,20 Meter. Die Folgen kann man ganz besonders in der Speicherstadt bei Ostwind sehen. Gerade im Januar waren aus einigen Fleeten bei Ebbe Schlickflächen geworden, Barkassenverkehr war nicht mehr möglich und zusätzlich lagen die Holzgründungen der Speicher trocken. Neben dem einsetzenden Verrottungsprozess bescheren die immer extremer werdenden Niedrigwasser den Statikern und Wasserbauingenieuren noch zusätzliches Kopfzerbrechen. Der fehlende Gegendruck bringt ein statisches Ungleichgewicht in den feuchten Boden, Kaimauern und Gebäude können instabil werden. In der Speicherstadt führt dieser anhaltende Prozess zu unterschiedlichen Überlegungen, um die historischen Gebäude zu retten. Die Fleete könnten mit Schwellen an den Eingängen gegen ein vollständiges Leerlaufen geschützt werden, der mangelnde Gegendruck durch Sandaufschüttungen erzeugt werden und als teuerste Maßnahme wird über ein Betonkorsett in den Fleeten nachgedacht. Alle Maßnahmen wecken das Misstrauen der Barkassenschipper, bei denen eine Speicherstadtfahrt zu einem der Highlights des Touristikprogramms zählt. Sie befürchten, dass jede dieser Möglichkeiten ihr Geschäft beschneidet oder gar unmöglich macht. Alte Hafenhasen haben aber noch ganz andere Befürchtungen was den wachsenden Tidenhub angeht. Nicht nur historische Häuser stehen auf den unsicheren Ufern der Elbe, immer größere und höhere Gebäude säumen die Elbe. Eines der höchsten direkt am Elbufer ist zum Beispiel das Wohnhochhaus Kristall am Fischereihafen, bei denen Nachbarn inzwischen kolportieren, dass Golfbälle von alleine über den Parkettboden rollen – sprich das Haus soll sich um sieben Zentimeter geneigt haben. Ähnliche Gerüchte gab es auch lange Zeit in Sachen Elbphilharmonie, diese scheinen sich aber nicht bewahrheitet zu haben. Die Bebauer des Strandkais, auf dem ebenfalls zwei weitere Hochhäuser entstehen sollen – die Bauarbeiten haben gerade begonnen – werden sicherlich viel Zeit mit ihren Statikern und Gründungsexperten verbracht haben, um die wandelnden Bedingungen gründlich zu erörtern.