Ende der Vernunft

Bildschirmfoto 2016-07-29 um 08.41.52Editorial

Gefühlt liegen mindestens zwei Jahrzehnte Vernunft, Freiheit und nahezu unbegrenzte Möglichkeiten hinter uns, ein goldenes Zeitalter, doch dieses Zeitalter scheint zu Ende zu gehen. Der Virus der religiösen und populistischen Verblödung scheint immer mehr Menschen zu ergreifen. Anstatt sich ernsthaft mit der Realität auseinanderzusetzen, werden simpelste Erklärungen und Lösungen gesucht, Feindbilder kultiviert. Wer einmal genau hinschaut, wird feststellen, dass dabei fast jeder aktuelle Blödsinn aus zwei Zutaten besteht: Machtinteressen und Menschen, die nach einfachen Erklärungen suchen. Brexit? Zwei machtgeile Politiker und eine Herde williger Schafe auf der Suche nach einer verklärten Vergangenheit. Der Ukraine-Konflikt? Noch mehr machtgeile Politiker und eine noch größere Horde williger Schafe auf beiden Seiten. Islamismus und die Konsequenzen weltweit? Unübersehbare und eher unsichtbare machtgeile Menschen und eine ebenso große Masse an Menschen, die an einfache Lösungen glaubt, bei denen dem normalen aufgeklärten Mitteleuropäer die Fantasie streikt.

Ja, die Welt wird immer komplizierter und die Herausforderungen werden in der Zukunft nicht weniger werden, aber gerade die Schafe, die an die populistischen und vermeintlich einfachen Lösungen von rückwärtsgewandter Politik und Religion glauben, werden diejenigen sein, die am meisten unter denselben zu leiden haben. Doch wie dieser Entwicklung entgegensteuern? Die Hoffnung, dass das alles ein Problem anderer Leute ist, hat sich – so glaube ich – gerade in den letzten zwei Jahren zerschlagen. Die Auswirkungen spürt und sieht jeder, selbst in der „Insel der Glückseligen“ – der HafenCity – sind die Flüchtlinge angekommen, und spätestens nächstes Jahr beim G20 kommt auch die große Weltpolitik hierher. Aktive Beteiligung, Bildung und Flagge-Zeigen ist im Großen wie im Kleinen gefragt, damit die mühsam erarbeiteten Werte der letzten sieben Jahrzehnte in Europa nicht durch Populisten und Fanatiker zerstört werden – wie zuletzt beim Brexit gesehen. Klar ist es einfacher, gegen als für etwas zu demonstrieren, aber die Zeit ist gekommen, seine eigene Bequemlichkeitszone zu verlassen und sich für etwas zu engagieren.