Vor Ort im Gespräch

 Falko Droßmann, neuer Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte (Foto: TH)

Falko Droßmann, neuer Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte (Foto: TH)

Bezirksamtsleiter Falko Droßmann sprach mit der HafenCity Zeitung über seine neue Aufgabe

 

Falko Droßmann wurde am 9. März für sechs Jahre vom Senat zum Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte ernannt. Der 42-Jährige – bisher Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksversammlung – wurde Ende Februar mit den Stimmen der SPD und den Grünen zum Nachfolger von Andy Grote gewählt. Das Dienstverhältnis des Oberstleutnants der Luftwaffe, der Geschichtswissenschaften studierte, ruht für diese Zeit.

 

Herr Bezirksamtsleiter, seit 15 Jahren engagieren Sie sich politisch in der SPD und im Bezirk Mitte. Sie gelten als Kenner des Bezirks. Wie begann Ihr Engagement?

Ich habe den Wahlkampf 2001 sehr bewusst erlebt. Damals war ich im Vorstand einer Kirchengemeinde in Horn aktiv. An dem Abend, an dem Ole von Beust den Koalitionsvertrag mit der Schill-Partei unterschrieben hat, bin ich im Internet der SPD beigetreten. Ich wollte mich nicht nur hinsetzen und meckern, sondern gegen diese Politik etwas unternehmen.

Dann besuchte ich meine erste Parteiveranstaltung und bekam die Möglichkeit, mich als sogenannter „zugewählter Bürger“ im Ortsausschuss Billstedt Horn zu engagieren. So hat es damals angefangen. 2004 wurde ich als Abgeordneter das erste Mal in die Bezirksversammlung gewählt und als Hansjörg Schmidt 2011 in die Bürgerschaft gewählt wurde, habe ich seine Nachfolge als Fraktionsvorsitzender der SPD angetreten.

 

Welche Arbeitsschwerpunkte hatten Sie innerhalb Ihrer Fraktion?

Meine Schwerpunkte lagen immer in der Sozialpolitik. Ein Jahrzehnt war ich Mitglied im Jugendhilfeausschuss. Ich habe die SPD auch im Sozialausschuss vertreten und war umwelt- und verkehrspolitischer Sprecher. Während meiner Zeit als gleichstellungspolitischer Sprecher hatte ich eine Querschnittsaufgabe, und damit hatte meine Arbeit viel Einfluss auch auf andere Ausschüsse. In dieser Zeit habe ich mich mit „Angsträume für Frauen in der Stadtplanung“ besonders auseinandergesetzt. Das Thema war damals nicht im Fokus der Planer. Wie weit ein Ausgang in einer Tiefgarage vom Parkplatz entfernt ist und ob und wie eine Unterführung beleuchtet wird, spielt für Frauen eine andere Rolle als für Männer. Diese Fragen wurden damals bei Bauvorhaben nicht gestellt. Das hat sich seitdem zum Glück verändert. Als Fraktionsvorsitzender hatte ich dann die Aufgabe, die Kompetenzen meiner Fraktionsmitglieder zu unterstützen. Als Vorsitzender des Cityausschusses habe ich mich mit den Genehmigungen von Sondernutzungen im öffentlichen Raum und somit mit allen Veranstaltungen im Bezirk politisch auseinandergesetzt.

 

Als Bezirksamtsleiter kann man sich seine Schwerpunkte ja nicht aussuchen. Worin bestehen Ihre persönlichen Prioritäten seit Ihrem Amtsantritt?

Zuerst einmal ist es mir wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirksamtes kennenzulernen. Ich bin nicht nur der Vertreter nach „außen“, sondern auch der Vorgesetzte nach „innen“. Und deshalb werde ich Zeit darauf verwenden, die verwaltungsinternen Abläufe kennenzulernen und mit den Menschen zu sprechen, die diese bearbeiten. Ich werde jedes Fachamt besuchen und bin bereits dabei, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den einzelnen Kundenzentren zu besuchen. Ich will dort mit allen sprechen. Diese Mitarbeiter sind das Gesicht der Verwaltung nach außen.

 

Sie sind der Dienstherr von 1.500 Mitarbeitern …

… und mir ist es wichtig zu erfahren, wie deren Sicht der Dinge ist. Aus meiner Sicht ist der Bedarf an Dienstleistungen der Verwaltung bei den Menschen gestiegen. Auch die Erwartungshaltung ist gewachsen. Ob es um die Ausstellung des Reisepasses oder um eine Baugenehmigung geht – die Verwaltung hat dafür zu sorgen, dass es funktioniert und dass es schnell geht. Eine Verwaltung, die immer kleiner wird und sich dabei mit zunehmend diffizilen Vorgängen beschäftigen muss. Man muss darüber sprechen, was von der Verwaltung erwartet wird und was diese leisten kann.

 

Ihnen steht ja auch der Umzug in die Caffamacherreihe bevor. Wie weit sind die Vorbereitungen?

Wir schätzen, dass wir im Herbst 2017 bereits in den neuen Räumen arbeiten werden. Wir bieten den einzelnen Fachämtern bereits jetzt an, dass sie das Gebäude kennenlernen können. Und sich zusammen mit den Planern anschauen, wo ihre Arbeitsplätze sein werden. Auch wenn nicht jeder Änderungswunsch erfüllt werden kann, wollen wir den Mitarbeitern so weit wie möglich entgegenkommen. Im neuen Bezirksamt werden wir dann auch endlich die Barrierefreiheit sicherstellen. Eine öffentliche Verwaltung in einer älterwerdenden Gesellschaft muss auch das sicherstellen.

 

Nun dürfte Ihre bisherige Aufgabe als Offizier der Bundeswehr, der für Tausend Menschen verantwortlich war, bei der Personalführung hilfreich sein. Wie weit wird Ihnen Ihr Studium der Geschichtswissenschaften bei der Lösung der Fachthemen helfen?

Die Geschichte und das Wissen, welche Entscheidungen, warum getroffen wurden, hilft dabei, unser heutiges Leben zu gestalten. Die Erfahrungen der Geschichte haben unsere Kultur und die Art, wie wir zusammenleben, geformt. Diese Erfahrungen sind wichtig für die Art, wie wir heute gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich agieren. Wir müssen die Erfahrungen wahren, nicht mahnend, sondern bewahrend und diese ausbauen.

Aus meinen Erfahrungen heraus bin ich in der Lage, der Verwaltung, der Bezirkspolitik und dem Senat Vorschläge zu machen, in welcher Richtung wir uns bewegen können.

 

Bei dem Thema Wohnungsbau haben Sie derzeit einen Punkt, der Mitte besonders beschäftigt: die Flüchtlingsunterbringung …

Es geht beim Wohnungsbau doch nicht um „Flüchtlingsunterbringung“. Wir haben in Hamburg viele Menschen, die neu in die Stadt kommen. Übrigens mag ich Wortschöpfungen wie Flüchtlingsströme und -schwemme nicht. Damit habe ich ein Problem. Bis 2025 wird Hamburg zu einer Zwei-Millionen-Stadt werden, davon bin ich überzeugt. Hamburg wächst, und dabei ist es doch erst mal egal, ob jemand aus Syrien geflüchtet oder Migrant aus den USA, Frankreich oder Polen ist oder aus Baden-Baden in die Hansestadt zieht. Wir müssen Wohnungen schaffen, in denen die Menschen zu bezahlbaren Preisen gern wohnen.
Die Unterbringung der Menschen, die zu Recht einen Aufenthaltsstatus haben – was nicht wir als Bezirksamt zu prüfen haben –, ist doch selbstverständlich. Diese Menschen sind unsere neuen Nachbarn. Meine Prognose ist, dass die 6.000 Wohnungen, die wir derzeit jährlich bauen, längst nicht ausreichen. Wir werden deutlich höher gehen müssen. Und wir müssen uns neue Konzepte des Wohnungsbaus überlegen.

 

Aber die öffentliche Unterbringung ist doch eine Aufgabe, die Sie zu beschäftigen hat?

Es gibt die Zwischenschritte der zentralen Erstaufnahme und der öffentlichen Folgeunterbringungen. Am Ende geht es aber darum, dass die Menschen, die das Recht haben, bei uns zu leben, auch in Wohnungen untergebracht werden. Sicher gibt es die sogenannten Überresidenten, das heißt Menschen, die länger als vorgesehen in den öffentlichen Unterkünften leben, aber die globale Flüchtlingssituation hat uns alle ein Stück weit überfordert. Hamburg bewältigt aus meiner Sicht, diese Aufgabe ausgesprochen gut. Auf der Welt sind so viele Menschen wie nie auf der Flucht. Da ist es naiv, anzunehmen, dass diese Flüchtenden nicht auch zu uns kommen. Aus meiner Sicht muss ein kontrolliertes Verfahren dahinterstehen, und trotzdem werden weitere Menschen nach Europa ziehen. Da muss die Weltgemeinschaft sich einbringen, und ich hoffe sehr, dass die derzeitigen Bemühungen, zum Beispiel in Syrien, zu einem Friedenserfolg führen. Die Situation in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern der Flüchtenden ist unerträglich.

 

Wie integrieren wir die Menschen mit ihren extremen Erfahrungen? Muss dann jeder – auch der, der so schnell wie möglich zurück will – integriert werden?

Für mich ist es – unabhängig davon, wo einer herkommt – wichtig, dass die universellen Menschenrechte gelten. Diese sind bei uns im Grundgesetz geregelt. Und daran hat sich jeder, der bei uns ist, zu halten. Unabhängig davon, ob er wieder weg möchte oder hierbleiben will. Die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar, das hat jeder zu respektieren. Und jeder, der sich nicht daran hält und der straffällig wird, kann nicht hierbleiben, es sei denn im Gefängnis. Das ist – egal vor welchem kulturellen Hintergrund – nicht verhandelbar. Hamburg-Mitte ist erfolgreich bei der Integration. Das aktuelle Beispiel ist Billstedt. Dort werden jetzt 550 neue Wohnungen gebaut, davon 250 Wohnungen für geflüchtete Menschen. Es wird ein architektonisch interessanter Mix. Wir haben in 14 öffentlichen Veranstaltungen ein Beteiligungsverfahren mit den Bürgern, die unmittelbar an dieser Fläche wohnen, durchgeführt. Dass die Menschen in dem Neubaugebiet dort nicht begeistert sind, kann ich nachvollziehen, aber die Beteiligung hat dazu geführt, dass die Menschen unter anderem über die Architektur und über die Anzahl der Plätze mitreden konnten. Die neuen Nachbarn werden nicht in der Überzahl sein, sie werden ein Teil des Ganzen sein. Wir haben auch über eine neue Kita, über die Elternschule, über Unterrichtsmöglichkeiten gesprochen und Maßnahmen beschlossen. Ich bin guter Dinge, dass es funktioniert.

 

Das sind aber nur 250 von insgesamt 800 Wohnungen, die der Senat für jeden Bezirk fordert.

Ja, und es wird weiter nach Flächen gesucht werden. Natürlich werden wir überall da, wo Nachbarschaft vorhanden ist, ein ähnliches Beteiligungsverfahren aufsetzen.

Worin sehen Sie die Chancen und die Herausforderungen für Hamburg-Mitte?

Mitte ist der spannendste Bezirk Hamburgs. Fragen Sie doch mal jemand, der nicht in Hamburg wohnt, was ihm zur Stadt Hamburg einfällt. Jeder wird immer etwas nennen, das zu Mitte gehört: St. Pauli, der Michel, die HafenCity oder auch die Internationale Gartenschau. Das macht uns spannend. Auch in unseren Wohnstadtteilen wie Rothenburgsort, Horn und Hamm haben wir viele Potenziale. Wir haben hier einen besonderen Schatz, den wir entwickeln müssen. Ich bin froh, dass der Senat das inzwischen auch so sieht. Wir kümmern uns um diese Stadtteile.

 

Ist dabei Beteiligung das Geheimnis des Erfolges?

Ja. Wir müssen nicht nur die
Eigentümer, sondern auch die Mieter einbinden. Zum Beispiel ist es vorbildlich, dass in der HafenCity auch immer zwei Bewohner in die Architekturwettbewerbe involviert sind. Das müssen wir woanders auch implementieren. Wir müssen aber auch die Investoren einbinden. Wir können nicht sagen: Baut tolle, barrierefreie Wohnungen, die nichts kosten. Wir haben in Hamburg mit SAGA/GWG und den Genossenschaften einen großen Vorteil. Wir müssen diese Stärke nutzen und unter Beteiligung ist auch die Beteiligung der Wohnungsbauunternehmen zu verstehen.

 

Angesichts der Pläne zur Erweiterung und zum Ausbau der anderen Stadtteile: Wie interessant ist die HafenCity in Zukunft noch für den Bezirk Mitte?

Sie wird zunehmend interessanter, denn die HafenCity wird ja – spätestens mit ihrer Fertigstellung – insgesamt in die bezirkliche Verwaltung übergehen. Die östliche HafenCity wird ja auch ein großes Wohnquartier. Und natürlich ist das Bezirksamt dann auch für die Menschen hier der Ansprechpartner.

 

Im Koalitionsvertrag der SPD mit den Grünen, den Sie als Fraktionsvorsitzender unterschrieben haben, haben Sie vier Ziele für die HafenCity formuliert. Umgesetzt wurden die Themen Wohnungsbau und Bürgerforum …

Das stimmt, das Thema Bürgerforum war mir persönlich sehr wichtig für die Kommunikation zwischen den Akteuren des Stadtteiles und dem Bezirk. Da haben wir agiert und nicht reagiert, auch wenn wir von den anderen Fraktionen in dieser Frage sehr viel Gegenwind bekommen haben.

 

Sie haben sich auch für die Erhaltung des 6er-Busses innerhalb des Stadtteils ausgesprochen. Ist das Thema für Sie noch aktuell?

Das Thema ist für die Koalition aus SPD und Grünen noch aktuell. Als Bezirksamtsleiter ist es meine Aufgabe, mich dann dafür einzusetzen, wenn mich die politischen Gremien mit dieser Aufgabe beauftragen.

 

Beim vierten Punkt ging es der Koalition um die Situation der Gewerbetreibenden in der HafenCity. Inwieweit kann der Bezirks-amtsleiter die Gewerbetreibenden unterstützen?

Ich werde das Gespräch suchen. Sowohl mit den Gewerbetreibenden in der Innenstadt als auch mit denen in der HafenCity. Wichtig ist mir, dass ich auch mit den Interessenvertretern und mit der HafenCity Hamburg GmbH ins Gespräch komme. Ein funktionierendes Gewerbe an diesem Standort ist ja sowohl für die Bewohner als auch für die großen nationalen und internationalen Unternehmen, die sich hier mit ihren Mitarbeitern ansiedeln, von großem Interesse.

 

Herr Droßmann, wie ändert sich der private Alltag des neuen Bezirksamtsleiters?

Bisher habe ich neben meinem Beruf Politik ehrenamtlich gemacht. Da hatte ich jeden Abend Termine. Das war eine große Herausforderung für Hobbys und für den Freundeskreis. Wenn ich da oft erst gegen 23 Uhr zu Hause war, war nichts mehr mit Hobbys. Ich fahre gern zu meiner Familie ins Rheinland. Hamburg ist meine Heimat, wenn ich aber zu meinem Geburtsort fahre, dann ist das für mich immer ein Erlebnis. Hamburg ist schön; das kleine Dorf, aus dem ich komme, aber auch. Ich fühle mich auf dem Bauernhof meiner Familie noch zu Hause. Ansonsten ist mir mein Freundeskreis sehr wichtig. Sport mit einem befreundeten Personal Trainer mache ich zwar, aber leider immer zu wenig.
Ich habe jetzt eine öffentlich sichtbarere Aufgabe, aber deswegen bin ich kein anderer Mensch geworden.

 

Herr Droßmann, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Gespräch führten

Edda Teneyken und Conceição Feist.