HafenCity aus der Froschperspektive

Bildschirmfoto 2015-06-01 um 21.59.52Editorial

Seit ein paar Monaten habe ich meine Perspektive bei der Arbeit an den Artikeln für die HafenCity Zeitung gewechselt. Früher saß ich während der Arbeit im fünften Stock – entrückt und mit dem weiten Blick über die HafenCity. Die Perspektive mit dem Elfenbeinturm zu vergleichen, würde den Unterschied nicht treffen, aber es ist schon etwas anderes, während des Schreibens die Passanten am Kaiserkai vorbeiziehen zu sehen – auf Augenhöhe oder eher – weil ich ja am Schreibtisch sitze – aus der Froschperspektive. Eine der ersten Erkenntnisse ist wirklich verblüffend: Wenn ich bisher dem Kaiserkai die Beschreibung „verlassene Todeszone für Gewerbetreibende“ attestieren konnte, muss ich diesen Eindruck inzwischen revidieren. Es ist viel los! Vielleicht nicht so viel wie an den Promenaden, aber es gibt doch zu allen Tages- und Nachtzeiten viel Laufpublikum, das in die Wohnungen und Läden guckt. Mehr jedenfalls als in manch anderer Lage in der Hamburger Innenstadt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Besucherströme eindeutig auf dem Wochenende und den Abendstunden – also zu Zeiten, in denen die Geschäfte eher geschlossen sind. Schon seltsam, wenn man bedenkt, wie viel Leid hier schon auf Straßenniveau kommuniziert wurde. Vormittags und tagsüber ist tatsächlich viel „tote Hose“ zu erleben, aber abends – wirklich erstaunlich. Dieses Ungleichgewicht wird sich sicher mit der Eröffnung der Elbphilharmonie noch verstärken. Vor und nach dem Konzert wird noch einmal flaniert, und wer dann die passenden Konzepte für Gastronomie und Erlebnisshoppen in der Tasche hat, wird gewinnen – zu später Stunde. Dass dabei klassische Shoppingzentren wie das Überseequartier von der Elbphilharmonie und den vielen Hotels profitieren, darf bezweifelt werden – zumal, wenn dort um acht schon die Tore schließen. Tagsüber herrscht der aufgeregte Tourist, abends der entspannte Passant. Ob das nun als Patentrezept für das darbende Gewerbe gelten kann, mag angezweifelt werden. Aus drei Monaten Froschperspektive sieht es aber ein wenig danach aus. An allen Enden der HafenCity sprießen Hotels aus dem Boden, und deren Publikum findet meist abends, auf dem Weg ins Konzert oder auf der Suche nach dem kurzweiligen Erlebnis, noch die Zeit für einen Spaziergang.