Hamburg ohne Grenzen

Eine Tradition ist zu Ende
Eine Tradition ist zu Ende

Freihafen ab 1. Januar abgeschafft

Mit Beginn dieses Jahres sind die Hamburger Freihafengrenzen gefallen, Zäune schon seit einiger Zeit abgebaut, Wohnungsbau möglich geworden, die Speicherstadt keine Freihandelszone mehr, von der HafenCity aus das Durchfahren zur Veddel problemlos. Barbarossa begann, Versmann führte fort, der Hamburger Senat beendete die über 800 Jahre währende Freihafenzone.

Wenn mein Großvater mich früher mit seinem VW-Käfer von Eimsbüttel zu meiner Tante nach Harburg mitnahm, erzählte ich am nächsten Tag stolz in der Schule, ich sei mal kurz in Amerika gewesen. So fühlte es sich für mich als lütter Knirps an, wenn Opa bei der Veddeler Ausfahrt aus dem Hamburger Freihafen vor der Schranke stand und von strengen Zöllnern mit barschem Ton gefragt wurde: „Haben Sie was zu verzollen?“ Mein Opa konnte guten Gewissens Nein antworten, denn die Geschenke fürs Tantchen waren ordnungsgemäß versteuert im Laden gekauft. Aber wussten das die gestrengen Zöllner? Und bei der Rückfahrt vor der Freihafen- Ausfahrt wurde penibel aufgepasst: Lagen auf dem Rücksitz auch nur gebrauchte Sachen inklusive Hut und Schirm? Wehe dem, der gefilzt wurde – und manch‘ Bürger, der vom „Laufband gefallenes Obst“ und ähnliches schmuggeln wollte, durfte deftige Strafen zahlen.

Bis Ende 2012 war dieses Bauchgrummeln auch für Fahrten über die Versmannstraße nach Rothenburgsort oder Harburg vorhanden, denn auf der Rückfahrt vom Einkaufen in den dortigen Supermärkten war der Kofferraum voll mit nagelneuen Sachen – hier hieß es, vorsichtshalber den Einkaufsbon parat zu halten. Obwohl in der jüngsten Zeit die Zollhäuschen nur noch sporadisch besetzt waren, konnte jederzeit der Zoll die Auto- oder Radfahrer im Zollfreigebiet anhalten und kontrollieren.

Sichtbares Zeichen wird der Wegfall des Zolls an der Versmannstrasse sein
Sichtbares Zeichen wird der Wegfall des Zolls an der Versmannstrasse sein

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist die Zollgrenze aufgehoben. Der Hamburger Freihafen existiert nicht mehr, die meisten Zäune wurden schon vor einiger Zeit abgebaut. Diese Änderung bringt nicht nur für Auto- und Radfahrer grenzenloses Einkaufsvergnügen, auch der Lieferverkehr in und aus dem Hafen soll dann zügiger abgewickelt werden. Die über 100 Freihafen-Unternehmen, die sich bislang mit endlosen Zollformalitäten herumschlugen, mussten sich auf die veränderten Bedingungen einstellen. Natürlich wird nach wie vor ein- und ausklariert, aber fast nur noch online. So sind zum Beispiel vorausschauend im 2002 eröffneten Containerterminal Altenwerder die Containerbrücken direkt mit dem Zoll verbunden, wird die Containernummer beim Verlagern dem Zoll gemeldet, gegebenenfalls versteuert und zeitgleich dem Lkw-Fahrer die Freigabe erteilt. Persönliche Kontrollen gibt es dennoch. Die Zollbeamten werden vor Ort auf den Terminals unterwegs und an zwei festen Kontrollstellen am Windhukkai und in Waltershof an der Finkenwerder Straße präsent sein.

Barbarossa zollte

Hamburgs Zollfreiheit liegt allerdings länger zurück. Mit Kaiser Barbarossa erhielt am 7. Mai 1189 Hamburg das Recht, dass nur hier Schiffe be- und entladen werden und die Waren somit nur hier im Hamburger Stadtgebiet gehandelt werden durften. Dass eine später ausgestellte Urkunde eventuell eine Fälschung war, hat Hamburg nicht gestört. Diese Zollfreiheit feiert Hamburg jedes Jahr mit seinem Hafengeburtstag.

Die Zusage von Kaiser Barbarossa galt fast 700 Jahre lang, bis die Vorschriften für Hamburg immer enger wurden und die Stadt sich 1881/82 mit dem sogenannten Zollanschluss dem Deutschen Reich anschließen musste. Dem damaligen Hamburger Senator Johannes Versmann (1820–1899) ist zu verdanken, dass der Hamburger Freihafen überhaupt zustande kam. In zähen Verhandlungen mit Otto von Bismarck rang er dem Reichskanzler die Zusage ab, auf Hamburger Gebiet einen zoll- und steuerrechtsfreien Raum einzurichten. Der Preis dafür war die Aufgabe der staatlichen Eigenständigkeit und die Eingliederung in das Deutsche Reich.

Der Freihafen wurde eingerichtet, mit Zäunen an Land und schwimmenden Palisaden geschützt. Eine Reihe aus Baumstämmen schwamm übrigens am Baumwall. Alte Wohnhäuser auf den damaligen Inseln Wandrahm und Kehrwieder wurden abgerissen, rund 20.000 Menschen verloren ihren Wohnraum und drängten sich in hafennahe Quartiere. Der Ausbruch der Cholera 1892 wird diesem engen Wohnen zugeschrieben. Auf dem „Zollausland“ Wandrahm und Kehrwieder wurde die Speicherstadt als zollfreie Lagerstätte gebaut.

Viele Jahrzehnte lang nährte der Freihafen den Reichtum Hamburgs, bis in jüngster Zeit der immer weiter globalisierende Güterverkehr – innerhalb der EU die sogenannte Gemeinschaftsware – und damit der Wegfall der meisten Zölle den Senat Ende 2009 dazu bewogen, beim Bund die Aufhebung der Freihandelszone zu beantragen. Der Hamburger Freihafen-Sonderstatus brachte im Gemeinschaftsverkehr keine Vorteile mehr. Die Unternehmen müssen jetzt beim Import Einfuhrumsatzsteuer oder Einfuhrzoll zahlen, außer, sie haben spezielle Zolllager eingerichtet, wo die Waren zwischengelagert werden. In Hamburg gelten nun die gleichen Zollvorschriften wie zum Beispiel in Rotterdam und Antwerpen, die Abschaffung der Freizone ist also kein Nachteil für die Stadt.

Wer die Geschichte des Freihafens und des Zolls visuell vertiefen möchte, dem sei das Deutsche Zollmuseum am Alten Wandrahm 16 zu empfehlen. Hier zeigt eine muntere Ausstellung, was mit wem und warum geschmuggelt wurde. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, der Eintritt beträgt 2 Euro, für Kinder und Jugendliche ist er frei.