Im Gespräch mit Lutz Marmor

Lutz Marmor
Lutz Marmor

Die HafenCity Zeitung im Gespräch mit dem Intendanten des Norddeutschen Rundfunks Lutz Marmor über ein Haus für alle, Konzerte für Hamburg, internationale Spitzenmusik und großartige Ausblicke in Wassernähe

 Ein Konzerterlebnis verbindet Menschen. Davon ist Lutz Marmor überzeugt. Der Intendant mit dem vielfältigen Musikgeschmack, der von Pop über Jazz und Klassik bis zu den Rolling Stones reicht, beherbergt unter dem Dach des Norddeutschen Rundfunks vier erfolgreiche Musikensembles: den NDR Chor, die NDR Bigband, die NDR Radiophilharmonie und das NDR Elbphilharmonie Orchester. Wir wünschen Lutz Marmor, dem NDR und dem gesamten Elbphilharmonie Orchester gutes Gelingen für die Eröffnungskonzerte am 11. und 12. Januar und für einen nachhaltigen Erfolg im „Konzerthaus an der Elbe“.

 

Herr Marmor, über die Elbphilharmonie heißt es, sie soll ein „Haus für alle“ sein. Was bedeutet das für Sie als Intendant des NDR?

Diese Aussage passt wunderbar zu uns. Auch der NDR macht Angebote für alle. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, die Konzertangebote des NDR Elbphilharmonie Orchesters so zu gestalten, dass wir auch die Menschen, die sich bisher nicht für klassische Musik interessiert haben, erreichen.

Die Leute interessieren sich für dieses außergewöhnliche Gebäude. Wir wollen dieses Interesse nutzen, um ihnen die Schwellenangst gegenüber klassischer Musik zu nehmen. Unser Chefdirigent Thomas Hengelbrock hatte die großartige Idee für die Konzerte für Hamburg. Diese einstündigen Konzerte sind ein besonderes Angebot für die Menschen, die bisher keine klassischen Konzerte besuchen wollten oder konnten. Natürlich sind diese Konzerte, die wir in der Eröffnungssaison anbieten und von denen an einem Tag bis zu drei Aufführungen stattfinden, eine Herausforderung für das Orchester. Das erste Kontingent der Karten war sehr begehrt und schnell vergriffen, im Januar bringen wir nochmals mehrere Tausend Tickets in den Verkauf.

Der Erste Bürgermeister Olaf Scholz will, dass möglichst viele Hamburger die Möglichkeit haben, die Elbphilharmonie kennenzulernen. Wir möchten, dass möglichst viele Hamburger das NDR Elbphilharmonie Orchester erleben können. Diesen grundsätzlichen Anspruch finde ich richtig, denn das Gebäude wurde überwiegend aus Steuermitteln und das Programm aus den Rundfunkbeiträgen finanziert.

 

Haben Sie darüber hinaus eine besondere Zielgruppe, die sie verstärkt erreichen möchten? Bisher war klassische Musik eher etwas für ein älteres Publikum …

Nein. Mir ist jeder Hörer, jeder Zuschauer und jeder User gleich lieb. Dasselbe gilt für jeden, der unsere Kulturangebote und Konzerte nutzt. Natürlich freuen wir uns über neue Besucher, die in der Regel dann auch jünger sind.

Wir glauben, dass Menschen, die einmal erlebt haben, wie schön und beglückend ein Konzertbesuch sein kann, gern wiederkommen.

Im Übrigen tun wir bereits jetzt viel, um ein jüngeres Publikum zu gewinnen: In der Reihe „Discover Music!“ bieten wir bereits jetzt Kindern und Jugendlichen Konzerte und Workshops an, um ein frühzeitiges Interesse an der Musik zu wecken. Das kommt sehr gut an, hat aber auch finanzielle Grenzen. Die Akademie des NDR Elbphilharmonie Orchesters hat ein eigenes Jugendsinfonieorchester gegründet, um den Nachwuchs zu fördern.

 

Der NDR und sein Elbphilharmonie Orchester werden nicht die einzigen Nutzer des Hauses sein. Es werden auch andere Orchester in der Elbphilharmonie auftreten. Sehen Sie darin ein Problem?

Für uns ist es großartig, dass die besten Orchester der Welt in der Elbphilharmonie spielen werden. Konkurrenz belebt das Geschäft.

Für unser Orchester ist es eine große Ehre, aber auch eine große Herausforderung, das Residenzorchester zu sein. Die Welt schaut auf die Elbphilharmonie und dann soll dieses großartige Haus auch mit großartiger Musik gefüllt werden. Natürlich entstehen durch Gastkonzerte von Top-Orchestern Vergleichsmöglichkeiten. Das ist ein Ansporn und das wissen unsere Musikerinnen und Musiker.

Wir wollen außerordentliche Programme bieten und haben dafür frühzeitig Mittel angespart.

 

Wird dadurch die Elbphilharmonie zur Konkurrenz für andere norddeutsche Musik- und Konzerthäuser?

Das glaube ich nicht. Das NDR Elbphilharmonie Orchester spielt auch weiterhin beim Schleswig-Holstein Musik Festival, wir sind bei den Festspielen in Mecklenburg-Vorpommern dabei und in Hannover haben wir mit der NDR Radiophilharmonie auch ein ausgezeichnetes Orchester, dessen Konzerte ausverkauft sind. Ich weiß, dass es Sorgen gibt. Insgesamt bringt der neue Spielort meines Erachtens aber einen Gewinn für die klassische Musik.

Die erste Saison in der Elbphilharmonie läuft von alleine. Die Karten werden uns derzeit aus den Händen gerissen. Wir werden aber erst in zwei, drei Jahren Bilanz ziehen können. Erst dann wissen wir, wie nachhaltig der Erfolg ist.

 

Hat das internationale Interesse auch Auswirkungen auf die Künstler im Orchester? Gibt es Ideen, das Orchester zu verstärken?

Wir waren schon in den vergangenen Jahren kein reines regionales Orchester. Durch die vielen Auslandstourneen bis hin nach China und Japan, hat das Orchester sich auch international einen großartigen Ruf erspielt.

Wir bieten international hervorragende Musik. Unter Thomas Hengelbrock hat sich das Orchester weiterentwickelt und es gibt jetzt einen neuen Anreiz, noch besser zu werden. Ich hatte das Privileg bei der ersten Probe des Orchesters in der Elbphilharmonie dabei zu sein. Man hört wunderbarerweise jedes einzelne Instrument. Das kann die Spielfreude und die Qualität eines Orchesters noch weiter verbessern.

In den Programmen werden natürlich auch Solisten, darunter Weltstars, die nicht fest im Orchester sind, auftreten und besondere Akzente setzen.

 

Werden Sie von Ihren Intendantenkollegen um die Elbphilharmonie beneidet?

Meine Kollegen erkundigen sich häufig. Daran kann man schon erkennen, dass das Konzerthaus etwas ist, das weit über Hamburg hinaus Interesse findet. Ich glaube es wird überall wahrgenommen, dass Hamburg nicht nur architektonisch sondern auch kulturell einen neuen Akzent setzt. Vielleicht beneiden sie mich. In München gibt es ja derzeit eine Diskussion, ob es einen neuen Konzertsaal geben soll.

 

Sind Ihnen in letzter Zeit noch Kritiker des Projektes Elbphilharmonie begegnet?

Ich gehe davon aus, dass es noch Kritiker gibt. Ich glaube aber auch, dass die Mehrheit der Menschen, die sich für das Thema interessieren, jetzt begeistert ist und sich freut. Zugegebenermaßen treffe ich hauptsächlich auf Menschen aus der kulturellen Szene. Die freuen sich darüber, dass das Projekt gut zum Abschluss gebracht wurde.

Natürlich kann man nicht sagen, das ganze Projektmanagement wäre hervorragend gewesen. Besonders am Anfang sind Fehler gemacht worden. Es ist gut, dass es sich zum Positiven gewendet hat.

Unter den Akteuren, Bewohnern und Gewerbetreibenden in der HafenCity ist die Vielzahl der Fans der Elbphilharmonie noch höher als im restlichen Hamburg. Schon die Eröffnung der Plaza hat zu einer Aufbruchsstimmung im Stadtteil geführt …

Die Plaza ist ja auch großartig. Ich habe es leider noch nicht geschafft, sie nach der Fertigstellung zu besuchen, war aber kurz vorher da. Sie bietet einen großartigen Ausblick. Und wenn man in der HafenCity wohnt, ist es bestimmt sehr schön und man kann öfter hingehen.

Es kommen jetzt viele Menschen in Ihren Stadtteil und auch damit muss man umgehen. Man muss auch Geduld haben. Ich persönlich finde es sehr belebend. Es ist ein gutes Signal des Aufbruchs.

Die beiden Open-Air-Konzerte im letzten Jahr sind im Stadtteil sehr gut angekommen und boten für die Nachbarn die Möglichkeit, fast aus dem Wohnzimmer heraus die Musik zu genießen. Sind weitere Verknüpfungen zwischen dem NDR und dem Stadtteil geplant?

Die große Verknüpfung wird die Elbphilharmonie sein.

Wir sind eine norddeutsche Institution und für Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg zuständig …

 

Und nicht nur für die HafenCity, wollen Sie uns damit sagen…

… ja, nicht mal nur für Hamburg. Hamburg ist zwar die Metropole des Nordens, aber unsere Angebote müssen ausgeglichen sein.

Der Stadtteil bekommt auch weiterhin mediale Aufmerksamkeit. Erst die Eröffnung, und dann wird die Verleihung des Deutschen Radiopreises 2017 in der Elbphilharmonie stattfinden. Dann kommt die gesamte Radiobranche in die HafenCity. Es wird den Nebeneffekt haben, dass die Gäste den Stadtteil für sich entdecken. Ich glaube allerdings, dass die HafenCity bereits jetzt ein Anziehungspunkt für Besucher ist. Der Stadtteil wirkt schon für sich und zieht durch die Nähe zum Wasser und durch die Architektur viele Besucher an. Die Eröffnung des Konzertsaals ist nur eine Krönung.

 

Wann waren Sie zum letzten Mal in der HafenCity?

Zuletzt bei dem Besuch des schwedischen Königspaars. Aber sonst schon Mal ab und zu am Wochenende. Ich wohne in der Hamburger Neustadt, gehe gern in der HafenCity spazieren und verfolge so schon seit Jahren die Entwicklung. Ich gehe dorthin, weil ich ein „Städter“ bin. Wenn man urbanes Leben liebt, geht man gern in die HafenCity.

 

Herr Marmor, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führten Conceição Feist und Edda Teneyken.

 

BU: NDR-Intendant Lutz Marmor an der Rothenbaumchaussee (Foto: TEN)

 

 

Weitere Tickets ab 4. Januar

 

Weitere Tickets für die „Konzerte für Hamburg“ im Juni 2017 sind ab 4. Januar 2017 online sowie im NDR Ticketshop, im Elbphilharmonie Kulturcafé in der Mönckebergstraße und in den Konzertkassen im Brahms Kontor und in der Elbphilharmonie erhältlich.

Die „Konzerte für Hamburg“ werden von der Elbphilharmonie in Kooperation mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester veranstaltet. Sie finden zwischen dem 31. Januar und dem 19. Februar sowie zwischen dem 21. und dem 25. Juni 2017 statt. Das Besondere: Die insgesamt rund 60.000 Karten für die „Konzerte für Hamburg“ sollen für jedermann erschwinglich sein und sind daher für 6, 12 beziehungsweise 18 Euro erhältlich.              TEN