Langweilig ? Beliebig ? Desaster ?

Die Architektur in der Hafencity wird gerade sehr kontrovers diskutiert. Frühes Sommerloch oder berechtigte Kritik ?

Hamburger Abendblatt, Hamburg-1, Deutsches-Architektur-Forum – Überall wird anläßlich der Grundsteinlegung der Elbphilharmonie nicht nur die Elbphilharmonie sondern auch die Gesamtarchitektur der Hafencity diskutiert und in Frage gestellt. Zu beliebig, zu modern, kalt, die Formensprache der Speicherstadt wird nicht weitergeführt – Viele Argumente erscheinen auf dem ersten Blick berechtigt, zeugen jedoch auf den zweiten Blick von undifferenzierter Oberflächlichkeit die der Hafencity nicht gerecht wird.
Um zum Kern der Sache vorzudringen muss man systematisch das gesamte Gebiet und seine Besonderheiten betrachten. Die Hafencity liegt auf dem Gelände des ehemaligen Freihafens, besitzt also aufgrund der historischen Begebenheiten nur sehr wenige historisch erhaltenswerte Baumasse. Der Kaispeicher B in seiner Gesamtheit, das Hafenamt und die Oberhafenkantine sind die einzige historischen Gebäude die im Orginal erhalten sind oder bleiben. Der Kaispeicher A wird als Hybrid aus Alt und Neu der Übergang zwischen den Zeitaltern bilden, ansonsten steht faktisch eine komplette unbebaute Fläche für die Neukonzeption zur Verfügung.
Eine Besonderheit an dieser Fläche ist der ständige Kontakt zu tidenabhängigen Wasserflächen die mit 3,5m Tidenhub Tag für Tag den Unterschied zur feinen Alster deutlich vor Augen führt und zu baulichen Zwängen führt die nicht ignoriert werden können. Eine dieser Besonderheiten ist zum Beispiel der sorgfältige Umgang mit Bepflanzung, der bei unsachgemäßer Anwendung zum Beispiel zu Zerstörung der Kaimauern führen kann, wie schon am Sandtorkai passiert. Der direkte Kontakt ohne Eindeichung zur Natur macht einen nicht zu verachtenden Grundreiz der Hafencity aus.
Diese Fläche muss nun bebaut werden. Kaum einer der Kritiker stellt nun irgendeinen konstruktiven Vorschlag zur Verfügung ausser dem Wunsch es möge der Speicherstadt ähnlich sein. Stellen wir uns vor statt der jetzt geplanten heterogenen Architektur würde die Speicherstadt mit lauter Speicherklonen vollgebaut, die unter Umständen so aussehen wie das Parkhaus in der Speicherstadt, die Gebäude am Sandtorkai Richtung Kehrwiederspitze oder im besten Fall wie das Gebäude neben dem Kaispeicher B, aber eben nicht einmal oder zweimal, sondern hundertfach und mehr. Keine besonders aufregende Vorstellung, eher abschreckend in seiner Monokultur und ohne jeden Charakter. Dagegen steht eine geplante Architekur, in der jedes Gebäude ein Solitär, angeführt von der Großartigkeit der Elbphilharmonie ist. Zugegeben, nicht jedes Haus zeigt seine Besonderheiten auf dem ersten Blick, auf dem zweiten oder dritten Blick erschliessen sich aber scheinbar unzugängliche Bauten durch die Besonderheit der Reflexion des Wassers im Gebäude oder des Lichtes in der Nacht. Mehr als bei vielen anderen Neubauprojekten werden Fehler vermieden und auch noch jedes noch so geringe Detail geplant. Die bei Fertigstellung fast endlos langen Promenaden und Plätze am Wasser, deren einziger Fehler wahrscheinlich sein wird das es viel zu wenig Menschen in Hamburg gibt um sie alle zu nutzen, geplante Lichtarchtitekturen, Wohnen, Einkaufen und Arbeiten in einem Quartier in einer Form die in dieser Form wahrscheinlich beispielgebend für zukünftige Projekte sein wird und nicht zuletzt Wasser, Ebbe und Flut, Schiffe und Kultur, besser kann die Mischung nicht sein.
 
Und – das Alles in Gehweite der Innenstadt.
 
Wie so häufig sei es Kritikern empfohlen an einem der kostenlosen Rundgänge durch die Hafencity teilzunehmen. Die ständig wachsende Zahl der Teilnehmer zeugt vom stetig wachsende Interesse vieler an diesem entstehenden Juwel. Und die größte Sorge ist nicht die kalte Architektur sondern die Frage nach der Höhe der Miete beziehungsweise Preise der Wohnungen, bei denen manch ein Münchener oder Frankfurter vor Neid erblaßt ob der Höhe der Preise. Und kaum ein Teilnehmer würde nicht in die Hafencity ziehen wenn er es sich leisten könnte. Angesicht diesen Interesses muss man sich eher Sorgen um andere Stadtteile machen ob bei dieser Sogwirkung vielleicht Nachteile für diese entstehen. Und die jetzigen und zukünftigen Bewohner ziehen in die Hafencity weil sie von dieser "Situation" begeistert sind und das Entstehen dieses neuen Stadtteils hautnah miterleben wollen.
 
Also – Keine Sünde sondern eine Sünde wert !