Spitzenmäßig

Die HafenCity Universität am Baakenhafen
Die HafenCity Universität am Baakenhafen

Ein Gespräch zwischen HCU-Präsident Walter Pelka und dem Architekturkritiker Dirk Meyhöfer

Seit Beginn des Sommersemesters hat die HafenCity-Universität (HCU) ihren Lehr- und Forschungsbestrieb aufgenommen – ganz vorn an der Wasserkante in der HafenCity am Baakenhafen. Ein vorgeschobener Beobachter mit Blick nach Osten, wo die Architektur- und Ingenieursstudenten den Fortgang von Hamburgs größter Baustelle penibel verfolgen können. Prof. Dr. Walter Pelka ist seit gut drei Jahren Präsident der HCU. Noch gestresst vom aufwändigen Umzug und vom Leben im Provisorium, gibt der neue Nachbar der HafenCity-Zeitung ein erstes Interview.

DAS „FALSCHE HAUS“?

Herr Prof. Pelka – ein gesunder Geist lebt in einem gesunden Körper. Die HCU hat nun ein neues Haus bekommen, genauer gesagt, die Studierenden und Lehrer für Architektur, Planung und Ingenieursbaukunst. Zum Umzugsstress kommen nun noch schlechte Schulnoten für den Neubau und dessen Architektur. Tut Ihnen eine Artikel wie in der ZEIT („So schön schief die Winkel“) weh?

Dr.-Ing. Walter Pelka wurde im Oktober 2010 einstimmig zum neuen Präsidenten der HafenCity-Universität Hamburg bestimmt. Ein Präsident, über den der Hochschulrat damals schrieb, dass ihn die Verbindung von intensiver Hochschulkenntnis mit langjähriger Managementerfahrung in der Wirtschaft auszeichne. Walter Pelka war davor seit 2006 Geschäftsführer der DEKRA Industrial GmbH gewesen.
Dr.-Ing. Walter Pelka wurde im Oktober 2010 einstimmig zum neuen Präsidenten der HafenCity-Universität Hamburg bestimmt. Ein Präsident, über den der Hochschulrat damals schrieb, dass ihn die Verbindung von intensiver Hochschulkenntnis mit langjähriger Managementerfahrung in der Wirtschaft auszeichne. Walter Pelka war davor seit 2006 Geschäftsführer der DEKRA Industrial GmbH gewesen. (Foto: TH)

Walter Pelka: Nein, denn wir haben im Präsidium diesen Artikel als unqualifiziert und uninformiert empfunden, sodass ich nicht darauf reagieren möchte. Wie sagt man in Hamburg: „Gar nicht erst ignorieren!“ Der Autor (Anm. der Red.: Hanno Rauterberg) scheint die aktuelle Situation in der HafenCity nicht genügend zu kennen.

Aber es gibt auch andere Kritiker, die sagen, der Neubau wirke wie ein Versicherungsgebäude und vor allem mangele es ihm an Nutzungsflexibilität …

Walter Pelka: Da hat nun die Architektur ein grundsätzliches Problem – also hier spricht der Präsident jetzt als Architekturkritiker – , denn bei Architekturwettbewerben neigen wir dazu, Architektur von außen nach innen zu entwickeln. Das war auch hier der Fall, es wird vom Großen ins Kleine gedacht und wir suchen uns dann eine schöne passende städtebauliche Skulptur dazu aus. Wahrscheinlich hat man erst danach die Frage gestellt, was dort eigentlich hinein soll – eine Universität? Wenn man erst sehr spät das „Raumbuch“ einer Uni unterzubringen versucht, muss das schieflaufen. Ich war im Laufe meines Berufslebens häufig Bauherr. Daher die Erkenntnis: anders herum wird ein Schuh draus. Erst planen, die „Baukultur“ und den Geist des Hauses definieren, die Nutzungen festlegen und dann erst eine schöne Schale entwerfen!

Was sind die hauptsächlichen Fehler beim Bau der HCU gewesen? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Walter Pelka: Naja – wir sind jetzt gezwungen, unsere Werkstätten in der dritten Etage vorzuhalten. Klingt nicht gerade vernünftig. Damit kann man aber leben. Besonders arg ist allerdings, dass bei einer Bruttogeschossfläche von 30.000 Quadratmeter zurzeit nur 13.000 Quadratmeter als Nettonutzfläche zur Verfügung stehen: Das ist extrem ungünstig, viele unserer Flächen im Haus gelten als Fluchtwege …

Klingt nach dilettantischer Planung?

Walter Pelka (lacht): Ich verweigere die Aussage. Außerdem: Die großen Treppenflächen sind keine Fluchtwege, dafür gelten sie als Brandabschnittabtrennungen und wir dürfen keine zusätzlichen Brandlasten erzeugen, das bedeutet: keine Pläne aufhängen, keine Modelle aufstellen.

Hört sich nach einer „Universität Schilda“ an. Kann die HCU sich nicht mit ihrer Fachkompetenz selbst helfen?

Walter Pelka: Wir haben unsere Fachleute für Brandschutz eingeschaltet, was wir verändern können. Zwei unserer Professoren entwickeln mit ihren Studenten und der Industrie spezifische HCU-Ausstellungstafelsysteme, die schwer entflammbar sind. Da sind wir auf dem richtigen Weg. Aber auch mit den verbleibenden Flächen (Anm. der Red.: zum Preis von 2.500 €/qm) haben wir Probleme mit der Bespielung, weil einige Räume und Zonen sehr spitz zu laufen, also kein Platz für eine sinnvolle Möblierung bleibt. Da ist für Kreative im Hause viel Luft nach oben!

Ja – wenn man den guten alten Architektenkollegen, den „rechten Winkel“ verschmäht, muss man noch besser sein, denn der rechte Winkel ist ja der Vater des Rasters und flexibler Nutzungen. Flexibel sollte die HCU werden, eine Hochschule neuen Typus und interdisziplinär ausgerichtet. Sie ist aber auch ein Zusammenschluss von Bereichen aus einer Technischen Universität (TUHH), einer Kunsthochschule (HfbK) und einer Fachhochschule (HAW) – dieser Zusammenschluss lieferte große Probleme …

Blick aus der HCU (Foto: TH)
Blick aus der HCU (Foto: TH)

Walter Pelka: Wir selbst haben die spezifischen Probleme der Zusammenlegung stark unterschätzt, so gab es keinen Post Merger Integration Plan. So haben wir diese revolutionäre Idee einer Bau-, Architektur- und Metropolenhochschule neuen Typus weder extern noch intern bisher erfolgreich vermitteln können. Gleichzeitig hat die Politik – also die Hamburger Behörden – mangels Überzeugung nicht offensiv genug dafür gekämpft, sondern die neue Uni als Sparmodell verkauft. In der Konsequenz ist die Universität in den ersten fünf Jahren fast gegen den Baum gefahren worden …

Das bedeutet?

Walter Pelka: Ja, extern hieß es – ganz hanseatisch – sparen, intern hat man in der Anfangsphase möglicherweise Gelder falsch eingesetzt, um die aufkommenden Animositäten zwischen den unterschiedlichen Biotopen aus der HfBK, Fachhochschule und TUHH herunterzuspielen.

Dieses Vorspiel ist bekannt, aber es hieß immer, wenn erst der namensgebende Neubau einmal bezogen worden ist, werden alle zusammenrücken. Vielleicht ist das noch zu früh für diesen Effekt, weil Sie mitten in der Eingewöhnungsphase sind – doch wie wollen Sie die Entwicklung forcieren?

Walter Pelka: Durch Disziplin und einen Mentalitätswechsel. Wir werden die HCU finanziell sanieren, wir haben die normale Finanzierung einer deutschen Hochschule pro Student zur Verfügung und müssen aufhören zu jammern. Das schwierigste Kapitel haben wir mit dem STEP (Anm. der Red.: Strukturentwicklungsplan) bereits erledigt. Das ist unspektakulär gelaufen, aber war sehr zäh. Es haben fast alle Studiengänge erkannt, wir müssen mit dem auskommen, was wir finanzieren können. Und wir müssen unsere Studiengänge nach acht Jahren HCU auf den Prüfstand stellen, um für die Zukunft hervorragend qualifizierte Absolventen für den Arbeitsmarkt ausbilden zu können. Es gibt Studiengänge, die sich gut gemacht haben, die Stadtplanung ist darunter und das Bauingenieurswesen. Es müsste allerdings ein Generationswechsel bei den Lehrern stattfinden, aber das vorgegebene Schrumpfungsmodell verhindert das: Schon nach dem Gründungsmodell mussten wir von 87 Professoren herunter auf 50 fahren, jetzt geht es bis 2020 noch weiter nach unten. Keine Neuberufungen für Jahre! Schrumpfung heißt Verhinderung des Innovationsprozesses.

Also Mentalitätswechsel für alle! Wie?

Walter Pelka: Einige Beispiele. Die Bauingenieure haben sich z.B. von einem konservativen zu einem sehr innovativen Studiengang entwickelt, sie haben ein brauchbares Perspektivpapier 2020 entwickelt. In der „Kultur der Metropole“ arbeitet man sehr stark daran, was denn die empathischen skills eines Metropolenplaners der Zukunft sein müssen. Insgesamt werden wir in einer zweiten Phase der Studiengangsreformen nach dem „stand alone-Verfahren“ (jeder Studiengang plant für sich allein), eine fachübergreifende Arbeitsgruppe zur Koordinierung einsetzen. Gerade geht der innovative Masterstudiengang PEIM (Projektentwicklung und Immobilienmanagement) an den Start.

Eine der wichtigsten Innovationen der HCU waren die Q-STUDIES, eine Art modernes Studium generale, was wird daraus?

Walter Pelka: Die Q-SUDIES sind ein gutes Beispiel dafür, wie „gut meinen“ das Gegenteil von „gut tun“ ist. Zu Beginn waren die Q-SUDIES zu wenig integriert, die Gründungsgeneration der HCU hat sie von oben als Excentive darauf gesetzt, aber vergessen, diese Kapazitäten mit den Studiengängen exakt zu verrechnen. Das heißt: Geld kann ich nur einmal ausgeben, entweder oder. Wir ändern das. Und die Qualität der Q-STUDIES wird ständig besser. Grundsätzlich gilt für viele Dinge (wie auch hier): nicht immer gleich zu weit springen zu wollen! Und als Lehrer muss ich herausfinden, wie weit man zusammen mit den Studierenden springen kann.

Die HCU ist jetzt an ihrer nominellen Destination angekommen, welche Rolle wird sie nun in der HafenCity spielen können?

Walter Pelka: Wir haben guten Kontakt zur Kühne Logistic University (KLU}, zur Medical School und der School of Economics. Der Kontakt ist groß und die Chancen sind es auch. Es gibt ihn also, den gewünschten Science Cluster in der HafenCity. So ein Cluster entsteht dort, wo die Rahmenbedingungen günstig sind. Die HafenCity ist ausgezeichnet geeignet für Research Development for Science. Ich kann hier sehr öffentlichkeitswirksam sein, viel mehr als in der City Nord. Mache ich hier eine Ausstellung über Fotografie, kommen die Leute gern hierher, einfach weil sie in der Nähe arbeiten oder die HafenCity besuchen wollen. Ein attraktiver Standort, der die Kommunikation mit der Stadtgesellschaft vereinfacht. Ein schönes Ambiente erzeugt Wohlbefinden und Kreativität. Der Standort ist toll und wir wissen, dass es in den nächsten Jahren einen Kampf um die besten Köpfe geben wird. Hamburg muss sich anstrengen, aber dieser Standort und eine gute Lehre bei uns könnten helfen.

Abendstimmung an der HCU
Abendstimmung an der HCU

Die Themen Bildung und Wissenschaft werden die wichtigsten Antriebsaggregate der Stadtgesellschaften im 21. Jahrhundert sein. Und die Rolle der HCU darin ist?

Walter Pelka: Die Freie und Hansestadt sucht, was die Integration von Lehre und Forschung für die Metropole betrifft, den Dialog mit uns. Es wird meine persönliche Aufgabe sein, meinen Kollegen zu verdeutlichen, welch große Chancen wir haben. Wir müssen uns mit unseren Professoren und Projekten mit der Stadt immer besser vernetzen und zeigen, was alles möglich ist. Noch reibt sich die Uni an sich selbst. Der Umzug war schwierig, aber wir haben ihn hinbekommen und insgesamt wird der Ruf der Uni besser und besser, fast sind wir schon ein wenig Vorbild in Hamburg! Vom Image „am liebsten Auflösen und Eingliedern“ sind wir mittlerweile wieder bei einem guten Ruf angekommen. In zehn Jahren ist die HCU eine Perle der Hochschullandschaft.

 

Dr.-Ing. Walter Pelka wurde im Oktober 2010 einstimmig zum neuen Präsidenten der HafenCity-Universität Hamburg bestimmt. Ein Präsident, über den der Hochschulrat damals schrieb, dass ihn die Verbindung von intensiver Hochschulkenntnis mit langjähriger Managementerfahrung in der Wirtschaft auszeichne. Walter Pelka war davor seit 2006 Geschäftsführer der DEKRA Industrial GmbH gewesen.

Dipl. Ing. (Arch.) Dirk Meyhöfer arbeitet als Architekturkritiker und Hochschullehrer, u.a. auch an der HCU. Dort hat er zusammen mit den Studierenden der Stadtplanung im Sommersemester 2014 das Projekt „Wissenslandschaft HafenCity“ aufgelegt. Zuletzt veröffentlichte er den Architekturführer „Waterfront, HafenCity Hamburg“, der im Frühjahr 2014 im Junius Verlag und der Edition Elbe & Flut erschien.