Mythos und Wirklichkeit

Die HafenCity Universität bietet innen und außen spektakuläre Perspektiven (Fotos: TH)
Die HafenCity Universität bietet innen und außen spektakuläre Perspektiven (Fotos: TH)

Die HCU blickt auf ihr erstes turbulentes Jahrzehnt der Lehre und Forschung zurück

Es wurde ein wenig geschönt und das Gute betont, fast so, wie es auf Beerdigungen üblich ist, als Ende Januar die HafenCity  ihren 10. Geburtstag feierte.

„Die HafenCity-Universität ist fester Bestandteil sowohl der Hamburger als auch der internationalen Universitätslandschaft. Nach einer schwierigen Startphase hat sich die Universität mit großem Elan positiv entwickelt“, sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, Festredner Prof. Uwe Schneidewind aus Wuppertal hielt die HCU gar für eine Perle des deutschen Wissenschaftssystems.

„Die HafenCity-Universität ist ein Leuchtturmprojekt der Hamburger Strukturpolitik und Selbstdarstellung – das allerdings beinahe nach dem Motto ‚Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet’ ausgegangen wäre“, schrieb vor zwei Jahren der Designjournalist Lars Quadejacob zur Eröffnung des neuen Gebäudes und traf den Nagel auf den Kopf. Denn wäre es nach so manchem Kritiker (ob intern oder extern) gegangen, wäre die HCU als eigenständige Universität schon wieder verschwunden.

Die HCU hat abenteuerliche erste zehn Jahre hinter sich (was für eine Uni-Neugründung im 21. Jahrhundert durchaus der Normalfall ist): „Als Universität neuen Typs gründete die Freie und Hansestadt Hamburg ihre jüngste staatlich finanzierte Universität vor zehn Jahren am 1. Januar 2006. Damit führte sie die bau- und planungsbezogenen Fachbereiche aus drei Hamburger Hochschulen zusammen. Heute bietet die HCU mit ihrem Studienangebot und ihrer Lage in der HafenCity, dem größten innerstädtischen Stadtentwicklungsprojekt Europas, ihren Studierenden einzigartige Studienbedingungen“, schreibt die Presseabteilung der HCU. ,,Vor mehr als zehn Jahren erkannte man in Hamburg, dass die Vereinheitlichung der Hochschulabschlüsse im Zuge des Bologna-Prozesses zu einer Annäherung von Universitäten und Fachhochschulen führen werde. Gleichzeitig wuchs die Erkenntnis, dass sich die drängenden Fragen der Gesellschaft zunehmend nur in einer konsequent fachübergreifenden Lehre und Forschung erfolgreich angehen lassen werden. Aus diesen beiden Entwicklungssträngen heraus entstand die Vision einer Universität neuen Typs, die mit der HCU realisiert wurde. Das wissenschaftliche Leitbild der neuen Universität ist konsequent durch Interdisziplinarität und Nutzung von Synergien der integrierten Fachdisziplinen geprägt.“ Hört sich sehr gut an, aber der triviale Alltag war ganz anders und der Merger, wie es englisch so schön bei den Ökonomen heißt, war einer von drei Hochschulen, die  unterschiedlicher nicht sein können. Die Stadtplaner kamen von der nach Elite und Exzellenz schielenden TU Hamburg-Harburg, ein Teil der Architekten von der HfbK, einer Kunstschule.  Dazwischen das Personal und Studierende der HAW, der Fachhochschule, die gute Arbeit leisteten, aber in der Reputation (ungerechterweise) hinterherhinkten. Darin allein steckte schon Unterhaltungs- und Streitpotenzial als Stoff für eine große  Tragikomödie nach altgriechischem Muster. Und das Ziel war ehrgeizig: Zukünftige Bauingenieure,  Geomaten, Soziologen (im Studiengang Kultur der Metropole) und eine neue Spezies von Städtebauern (des Studiengangs Urban Design) und auch Ökonomen des Programms REAP (Resource Efficiency in Architecture and Planning) sollten in interdisziplinärer Zusammenarbeit für die großen Probleme der Metropolenentwicklung und einer neuen Baukultur trainiert werden.

DSC01228Walter Pelka, seit 2010 Präsident der HCU, sagte dann auch gleich zu Beginn der Feier: „Fast wäre es schief gegangen!“ Intern unter anderem durch einen weitgehenden Austausch des Gründungspräsidiums verursacht, das ein massives finanzielles Defizit ausgelöst hatte. Neue Besen fegen dann nicht immer gut, aber auf jeden Fall anders. Deswegen geriet das innovative und interdisziplinäre Konzept ins Stocken. Strukturell schlug auch das Bachelor-/Mastersystem durch und zeigte immer noch seine Tücken, weil Verschulung und Regelstudienzeit Gift für eine freie akademische Ausbildung sind. Und dann war da noch der Neubau, den die HCU seit Frühjahr 2014 besitzt und der durch seine schwungvolle Geste ein Versprechen auf die Zukunft und auf ein ansprechendes Ambiente macht. Dessen Architekten Code Unique aus Dresden haben ganz bewusst diesen Welcome Point für alle Bahngäste aus dem Süden wie den berühmten Point de vue eines Schlossparks neben die Gleise gesetzt. Nur leider hält das Haus innen nicht ganz, was es außen verspricht, es entwickelt innen in seiner sehr unpraktischen Spitzwinklichkeit einen spezifischen Charme des Unfertigen. Die Rohbauqualität mit rauem Beton und freiliegenden Versorgungsleitungen ist nicht jedermanns Sache.  Manch unbedarfter Besucher muss glauben, dass Architekten und Bauherrn wohl „den Schuss nicht gehört haben“, weil es hier ja eigentlich um einen vorbildlichen, zukunftsfähigen Neubau für eine meinungsmachende Architekturschule gehen müsste. Tatsächlich ist die Architekturqualität sehr bezeichnend, was in Hamburg in Sachen Bildung und Wissenschaft abgeht: wenig und es bleibt der schale Geschmack einer vertanen Chance. Denn natürlich sollte hier ursprünglich alles gediegen und hanseatisch aussehen: als Ikone der modernen Baukunst. Nur das Geld hat nicht gereicht und so hat man die Hamburger Kleiderordnung gebrochen und statt feinem blauen Blazer den Blaumann geliefert.

Aber es war trotzdem so etwas wie ein Befreiungsschlag, als die Uni für „Baukunst und Metropolenentwicklung“ endlich ihrem Namen die Ehre machte und nach einer wilden Phase der Verteilung auf bis zu acht Standorte in der Stadt endlich am Elbstrand heimisch wurde. Und so wächst dann langsam zusammen, was  zusammengehört. Und im zweiten Jahrzehnt soll dann alles besser werden.

In einem Kraftakt entwickelte die HCU in den Jahren 2013/2014 einen  Struktur- und Entwicklungsplan (STEP), der die ehrgeizigen Ziele in Lehre und Forschung aus der Gründungsphase an die neuen (eingeschränkten) finanziellen Verhältnisse anpasst. Die HCU  ist inzwischen international bestens vernetzt und arbeitet dabei besonders mit Universitäten des nordwestlichen Europas sowie des skandinavisch-baltischen Raumes zusammen. Mit dem MIT Media Lab des Massachusetts Institute of Technology in Boston (USA) wird zusammen das  Digital City Science Lab betrieben, das die Veränderungen von Städten durch die Digitalisierung erforscht.

Lars Quade-Jacob hatte in seinem Artikel im Hamburger Architekturjahrbuch 2014 dann noch elegant die Kurve gekriegt: „Was die Nutzer der HafenCity-Universität anstelle aufwändiger Materialien und repräsentativer Ausstattung bekommen haben, ist etwas anderes, deutlich Wertvolleres: eindrucksvolle Innenräume, Aus- und Durchblicke an einem privilegierten Ort. Der Komfort dieses Gebäudes, seine Art von Luxus, liegt in der Nutzung und im (Raum-)Erlebnis. Auch das ist in gewisser Weise ein Beitrag zur Nachhaltigkeit, es ist sympathisch und zeitgemäß – und es passt in seinem Understatement auch zu Hamburg.“ Und aus dem befürchteten Beerdigungsfest ist dann doch so etwas wie ein Survival-Training geworden. Herzlichen Glückwunsch HCU! n               MEY

 

Dirk Meyhöfer

ist Architekturkritiker und

Herausgeber des Hamburger

Architekturjahrbuches.

Seit 2010 Freier Hochschul-

lehrer in den Fächern

„Schreiben über Planen und

Bauen“, „Architekturkritik“

sowie „Stadt und Quartiers-

planung“ an der HCU

 

HCU in Zahlen

2.400 Studierende

400 Absolventen pro Jahr

50 Professoren

150 Wissenschaftliche

Mitarbeiter

5 Bachelor-Studiengänge:

Architektur, Bauingenieur-

wesen, Geomatik, Stadtplanung,

Kultur der Metropole

6 Master-Studiengänge:

Architektur, Bauingenieur-

wesen, REAP, Geomatik,

Urban Design, Stadtplanung