Stadtentwicklung statt Mauern

Bis heute eine sichtbare Barriere zwischen Alt und Neu: Die sogenannte Berliner Mauer am North Wall 2007 (Foto: Astrid Wonneberger)
Bis heute eine sichtbare Barriere zwischen Alt und Neu: Die sogenannte Berliner Mauer am North Wall 2007 (Foto: Astrid Wonneberger)

In Ihrem zweiten Artikel über die Transformation ehemaliger Hafengebiete schreibt Dr. Astrid Wonneberger in dieser Ausgabe über die Bürgerbeteiligung in den Docklands von Dublin, die auch in der Hamburger HafenCity durch den stetigen Zuzug neuer Mitbürger immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dr. Astrid Wonneberger hat an der Universität Hamburg Ethnologie studiert und 2011 ihre Habilitation zum Thema Regenerierung des ehemaligen Hafenviertels in Dublin/Irland geschrieben. Sie ist Privatdozentin an der Uni Hamburg und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiengang Angewandte Familienwissenschaften an der HAW Hamburg.

Bewohner der Dublin Docklands erkämpften sich Mitspracherecht bei Planungen

Im Gegensatz zur Hamburger HafenCity waren die Dubliner Docklands schon von Anfang an von mehreren Hafengemeinden bewohnt, die sich bis heute stark mit der Hafenvergangenheit des Viertels identifizieren.

Dennoch war eine Bürgerbeteiligung an den ersten Plänen der Regenerierung in den 1980er Jahren nicht vorgesehen. „Die politischen und wirtschaftlichen Interessen waren zu stark und die Hafengemeinden zu uneins, als dass wir unsere Interessen hätten durchsetzen können“, erinnert sich eine Gemeindeaktivistin. Aus diesem Grund war die erste Phase der Dockland Regenerierung, die Errichtung des International Financial Services Centres (IFSC) auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlehofs, rein von finanziellen Interessen geleitet, ohne dass die Probleme der alteingesessenen Bewohner, deren Einkommensgrundlage nach der Modernisierung und Auslagerung des ehemaligen Hafens verloren gegangen war, mit einbezogen wurden. Um das neue Finanzzentrum mit seinen schicken Büros und teuren Wohnungen von den direkt nebenan liegenden sozial schwachen Vierteln auch räumlich klar zu trennen, wurde eine alte Mauer stehengelassen, die bis heute eine sichtbare Barriere zwischen Neu und Alt darstellt. Diese Mauer, die von den Einheimischen auch den Namen „Berliner Mauer“ bekam, sorgte zusammen mit der Veröffentlichung der weiteren Pläne für die Dockland Regenerierung für viel Unmut. Koordiniert von mehreren politischen Aktivisten, denen es gelang, die oft sehr unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Hafengemeinden zu bündeln und persönliche Kontakte auch zur Politik zu nutzen, gelang es nach vielen Protesten, eine Beteiligung der Gemeinden an den weiteren Plänen der zweiten Phase zu erreichen. Der DDDA (Dublin Docklands Development Authority) Master Plan von 1997 sah nun explizit neben einer ökonomischen auch eine nachhaltige soziale Regenerierung vor. Sieben Repräsentanten der Hafengemeinden waren im Council der DDDA vertreten, diskutierten und berieten die Verantwortlichen und nahmen so Einfluss auf die Neugestaltung des Viertels. Zentral waren dabei neben bildungs- und wohnpolitischen Maßnahmen auch Forderungen nach Erhaltung möglichst vieler Strukturen der identitätsstiftenden Hafenvergangenheit sowie ein „gemeinde- und familienfreundliches Design“, um der von vielen befürchteten zunehmenden Anonymisierung der Stadtviertel entgegenzuwirken. Auch wenn nicht alle Maßnahmen den Wünschen der Gemeinden entsprechen und nach wie vor viele soziale Probleme zu lösen sind, so kann man im Falle Dublins insgesamt durchaus von einer erfolgreichen Regenerierung des ehemaligen Hafenviertels sprechen. Die Dubliner Docklands sind ein sehr lebendiger und familienfreundlicher Stadtteil geblieben, in dem vieles verbessert wurde und der nachhaltig zu funktionieren scheint. Dadurch wird er zunehmend attraktiv auch für Zugezogene aus gehobeneren Schichten. Ein Großteil der Bevölkerung sieht das ähnlich, und viele der Aktivisten sind durchaus zufrieden mit dem Erreichten. Dennoch lassen sie auch heute nicht locker, um sich auch weiterhin bei Planungsprozessen Gehör zu verschaffen. „It´s an ongoing battle“ – „Es ist ein fortwährender Kampf“ betonte eine Vertreterin der Gemeinden immer wieder. Nachdem die Hamburger HafenCity nun eine immer größere Wohnbevölkerung aufzuweisen hat, beteiligen sich auch hier die Bewohner bei der Ausgestaltung des urbanen Raumen bzw. fordern ihre Beteiligung immer stärker ein. In Dublin hat sich dieser Ansatz als sehr fruchtbar herausgestellt und auch in der HafenCity scheint dieser Weg sinnvoll zu sein, um Quartiere zu schaffen, die den Menschen gehören und nicht den Stadtplanern. n               AW

In unserer nächsten Ausgabe befasst sich Dr. Wonneberger mit den Forderungen für ein gemeinde- und familienfreundliches Design in den Dubliner Docklands, aber auch mit dem Wunsch, möglichst viele alte Hafenstrukturen zu erhalten und Alt und Neu architektonisch verträglich miteinander zu gestalten. Ein aktuelles Thema in der HafenCity. n   TEN

Astrid Wonneberger