Stefan Moster: Lieben sich zwei

Ein Roman in der Kulisse der HafenCity
Ein Roman in der Kulisse der HafenCity
Ein Roman spielt in der HafenCity

Ines und Daniel, ein verheiratetes Pärchen Mitte Dreißig, ist aus der ländlichen Pfalz in die HafenCity gezogen. Daniel ist Städteplaner bei einer renommierten Unternehmensberatung, Ines hat eine kleine Weinhandlung in Uhlenhorst eröffnet. Ihr größter Wunsch ist ein eigenes Baby, doch dieser Wunsch lässt sich nicht so einfach erfüllen; der monatliche Gang in die Kinderwunschklinik beginnt – und damit auch ein Leben, dass sich ganz nach Ines’ Zyklus ausrichtet. Dies hat auch Auswirkungen auf Daniels Job, der ihm Spaß bringt und den er enthusiastisch ausfüllt: doch sein neues Prestige-Projekt in Masdar muß er an Kollegen abtreten, da er aufgrund der privaten Schwierigkeiten und dem regelmäßigen Gang in die Kinderwunschklinik nicht auf Dienstreise gehen kann. Ines belastet ihre Situation  noch mehr; sie flüchtet immer öfter aus ihrer schlecht laufenden Weinhandlung. 

Stefan Moster beschreibt sehr detailliert das Leben des Paares in der HafenCity:  die Begeisterung beim Zusehen der Schiffe, die vor ihrem Balkon drehen und anlegen, ihre Wohnung in dem Haus, das gestapelten Containern nachempfunden ist „durchgestaltete  Architektur, ruhige Kernebenen im Wechsel mit bewegten Mantelebenen, unterschiedliche, voneinander abgesetzte  Erker, Loggien und Balkone in der Gebäudekubatur, weißer Putz, dazu Metall in warmen Rottönen, ein bisschen Chrom…“. Der ortskundige HafenCity-Bewohner weiß sofort, in welchem Haus die beiden am Kaiserkai wohnen.

Grund für den Umzug aus der Pfalz ist Daniels neuer Job und die Tatsache, dass Ines schon immer am Meer wohnen wollte. „„Aber  Hamburg liegt nicht am Meer“, hatte Daniel gesagt. (…)  „Aber es liegt fast am Meer“, erwiderte sie. „Sonst gäbe es ja den Hafen nicht.““   

Stefan Moster wechselt die Sichtweise beim Erzählen; abwechselnd werden Ines und Daniels Tagesablauf und Gedanken dargestellt, eingestreut werden Passagen aus Sicht anderer: aus der Sicht der Witwe, die auf der Queen Mary nach Hamburg einfährt und dort einen einzelnen Mann (Daniel) auf dem Balkon sieht, oder eines Architekten, der auf dem Weg durch den abendlichen Kaiserkai in die Fenster der Anwohner schaut: „all das Läppische hinter den bis ins Detail durchdachten Fassaden, in den grandios geplanten Wohneinheiten, der Architekt hat das Gefühl, als spränge in ihm eine Sprinkleranlage an und versprühte Hass auf alles Kleine und Kleinliche, das die architektonische  Visionen mit trister Banalität sabotiert. Spannende Architektur, langweiliges  Leben, fasst der Architekt innerlich zusammen.“ Aber genau das trifft den Punkt: auch in noch so interessanter Architektur leben normale Menschen, die genauso kochen, putzen oder Wäsche bügeln wie auch anderswo in dieser Stadt.

Neben präziser Beschreibungen der HafenCity werden die gängigen Klischees bedient: dort können ja nur Reiche wohnen, das sei keine Gegend  für Kinder, man sehe keine Nachbarn, spontan  würde hier keiner klingeln, alles sei doch sehr steril, „man kommt sich wie ausgeschlossen vor; immer wenn man am Leben teilhaben möchte, muß man sich in nichtexklusive Gegenden begeben.“ In einigen Punkten irrt Stefan Moster, die dörfliche Gemeinschaft in der HafenCity – jeder kennt hier jeden – entgeht ihm. Aber vielleicht würde das auch nicht zur hauptsächlichen Thematik passen – dem unerfüllten Kinderwunsch, die schleichende Verzweiflung und Einsamkeit, wenn Ines und Daniel fröhliche Eltern mit anderen Kindern beobachten, um dann den nächsten Gang in die Kinderwunschklinik anzutreten – diese Gefühle werden durch die kühle Darstellung der HafenCity unterstrichen. Trotzdem ist Moster das nicht zu verübeln, es handelt sich um einen Roman, und ein Roman muß ja schließlich nicht die Realität widerspiegeln.

Mosters Schreibstil passt sich dem hanseatischen Ambiente und dem Leben „am Meer“  an: der Roman ist leise, fast zurückhaltend erzählt – Ebbe und Flut wechseln sich ab: regelmäßig wächst die Hoffnung, und regelmäßig kehrt die Traurigkeit zurück. Manchmal bricht die Sturmflut aus, die ihren Höhepunkt in Ines Verzweiflung findet.

Fazit. Ein lesenswertes Buch, das Facetten des Lebens in der HafenCity wiedergibt.

Stefan Moster „Lieben sich zwei“ ist im Mare-Verlag erschienen