Jimmy F. lebt in der HafenCity (Illustration: Maria Knuth)„Mein Leben in der HafenCity.“ Von Jimmy F.
Eins will ich vorwegnehmen: Ich bin nicht freiwillig hier. Während eines Hotelaufenthaltes in einem Vier-Sterne-Haus an der Süderstraße 399 (Anmerkung der Redaktion: Der Autor spricht vom Tierheim des Hamburger Tierschutzvereins) wurde ich im Alter von einem Jahr entführt. Das liegt nun viele Jahre und einige Lebenserfahrungen zurück. Ich gebe ja zu, dass ich dank des Stockholmsyndroms – danach freunden sich Geiseln mit ihren Entführern an – in der Zwischenzeit mit meiner Geiselnehmerin gut klar komme. Mir ist es gelungen, für uns beide eine Wohnung in einem Stadtteil zu finden, wo ich nicht nur langweiliges Grün und doofe Tauben vor der Nase habe. Meine MaMa (Abkürzung für „Mach mal die Futtertüte auf!“) wie ich meine Gefängniswärterin zwischenzeitlich liebevoll nenne, darf aufgrund eines hohen Beitrages zu unserem gemeinsamen Lebensunterhalt als Untermieterin bei mir wohnen. Allerdings hat dieses Zusammenleben einen Haken: MaMa geht morgens aus dem Haus und lässt mich allein. Ich habe noch nicht recherchieren können, wohin sie wirklich geht und warum sie so lange wegbleibt. Sicherlich ist es nur eine blöde Ausrede, wenn sie mich morgens mit den Worten „Ich gehe jetzt unser Futtergeld verdienen“ verlässt. Ich sage dann immer: „Wer sich keine Luxusgeschöpfe leisten kann, darf auch keine Katzen entführen.“
In Sichtweite des StrandkaisAber da ist MaMa meistens schon im Fahrstuhl und ich bin allein in der Wohnung. Mann, war ich damals schlau: Ich hatte uns eine Wohnung mit bodentiefen Fenstern ausgesucht. Aus meinem Gefängnis heraus schau’ ich auf die Elbe und philosophiere Tag für Tag über die Frage, ob da leckere Fische drin sind. Oder ich gucke auf den Innenhof und frage mich, ob die leckeren Kaninchen vielleicht Lust haben, mit mir eine Runde Mau-Mau zu spielen. Oder ich schleiche mich zu meinem Schälchen und schau nach, was dort für leckere Leckereien darauf warten, von mir verschlungen zu werden. Was für ein Elend, werden sie jetzt denken. Ein intelligenter Kater auf dem Höhepunkt seines Katzendaseins und kein erfüllender Lebensinhalt. Zu diesem Ergebnis bin ich nach jahrelanger Gefangenschaft und vielen – wirklich sehr interessanten – Selbstgesprächen gekommen.
Und nicht weit von der Speicherstadt entferntDa habe ich dann beschlossen, meine Probleme, Beobachtungen und Erkenntnisse nicht mehr für mich selbst zu behalten. Zum Glück hilft mir der technische Fortschritt. MaMa hat sich ein Gerät angeschafft, mit dem man auch schreiben kann, wenn man keine Daumen hat (Anmerkung der Redaktion: Vermutlich meint der Autor das iPad). Hurra, bisher sind alle meine Versuche, Tagebuch zu schreiben an meinem fehlenden Daumen gescheitert. Jetzt ist das Tor zur Welt für mich offen und ich kann mein Schicksal in die Welt hinaus schrei(b)en. Zurzeit philosophiere ich über Themen für meine Lebensbe(r)ichte. Vielleicht erzähle ich Ihnen beim nächsten Mal von meinem Freund Alfredo. Ein intelligenter Hund, der sich tot stellt und sich damit Leckereien erschleicht …
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