Tagebuch eines Gefangenen

Jimmy und Alfredo auf dem Riesenrad (Illustration: Maria Knuth)
Jimmy und Alfredo auf dem Riesenrad (Illustration: Maria Knuth)
„Mein Leben in der HafenCity“ von Jimmy F.

Was bisher geschah: Jimmy bereitet sich auf eine Schiffsreise an das Ende der ihm bekannten Welt vor. Die Queen Mary 2 soll –mit ihm als blinden Passagier an Bord- in Hamburg Richtung der norwegischen Fjorde ablegen. Jimmy hat bereits seinen Koffer gepackt und allen, die es wissen und allen, die es nicht wissen wollen über seine anstehende Reise informiert. MaMa (Abk. für: MachMal schnell, ich habe Hunger!), die auch eine Reise auf diesem Schiff gebucht hat, hat ihre Koffer nicht gepackt…

Ich bin ja so aufgeregt! Seit ein paar Tagen versammeln sich alle Schiffe der Welt vor meinem Fenster; sicher ist es bald so weit: die Königin der Meere holt mich ab und die Menschen werden mir zuwinken, wenn sie mit mir an Bord Hamburg verlässt. Sicher ist es meiner Berühmtheit zu verdanken, dass so viele Schiffe zu meinem Reiseantritt, nach Hamburg gekommen sind. Auch die Schiffe mit dem Kussmund sind da und veranstalten mir zu Ehren ein Riesenspektakel mit Feuerwerk. Ich habe mich sehr gut auf meine erste Urlaubsreise vorbereitet. MaMa hat sich viele Informationen über Norwegen verschafft, ganz viele Zeitschriften mit tollen Bildern lagen bei uns im Wohnzimmer rum, die habe ich alle angeknabbert und nun weiß ich, was mich erwartet. Merkwürdigerweise ist MaMa ganz traurig und hat ihre drei Reisekoffer noch nicht gepackt. Seit Tagen habe ich  kein Kontakt zu Madame MadameMauvais (kurz MaMaMa genannt), die ebenfalls mit an Bord gehen will. Jetzt werde ich nervös, irgendwas stimmt hier nicht! Plötzlich höre ich aus der Ferne das zweit-schönste Geräusch der Welt (das schönste Geräusch ist das Aufreißen der Verpackung um meine Salamistangen), die Queen Mary 2 ruft mich, sie hupt mich an, damit ich an Bord komme. MaMa schläft noch, sie kommt sicher nach. Also nehme ich mein Koffer und meine Sonnenbrille, gehe zum Fahrstuhl und …mein Handy klingelt: MaMaMa ist dran, sie weint und erzählt mir was von ihrem kaputten Rücken und dass es ihr leid tut, dass sie und MaMa nun nicht verreisen können und ihre Reise auf der Queen Mary 2 auf den August verschoben haben.

 

Bevor sie schluchzend auflegt, wünscht sie mir eine gute Reise. Ich bin irritiert, besser gesagt, ich bin total verwirrt. Plötzlich verstehe ich: Die Mädels gehen nicht an Bord und wollen mich allein ins ewige Eis schicken! Meine Atmung schnappt über und mir wird schwindelig, das war eine Falle: MaMa will mich doch los werden! Sobald ich auf dem Schiff bin, wechselt sie bestimmt die Türschlösser aus. Plan B muss her, so leicht lasse ich mich nicht vertreiben. (Anm. der Redaktion: Jimmy, Du leidest unter einer sehr bedrohlichen Paranoia. Das ist tragisch.) Ich schleiche mich zurück in die Wohnung, packe leise mein Koffer aus, verstecke meine Sonnenbrille und als MaMa aufwacht, findet sie mich schnurrend auf dem Sofa. Ich bin nochmal davon gekommen! Wie hinterhältig MaMa doch ist. Sie streichelt mich, füllt mein Napf mit Leckereien und erzählt mir nichts davon, dass sie ihre Reise verschoben hat. Na warte, meine Rache wird süß sein. Spät am Abend schleiche ich mich aus der Wohnung und treffe mich mit Alfredo, meinem Kumpel und Geschäftspartner aus dem Überseeboulevard. Wir lösen zwei Fahrkarten für das Riesenrad und verabschieden von dort „mein Schiff“, das eigentlich mit mir an Bord majestätische die HafenCity Richtung Norwegen verlassen sollte. Miau…(JF)