Über ungesunde Wohnstätten und Pesthöhlen

Speicherstadt und HafenCity
Speicherstadt und HafenCity

Buchtipp: „Speicherstadt und HafenCity“ von Egbert Kossak

Das Buch „Speicherstadt und HafenCity“ bietet eine Zeitreise durch die zur Zeit wohl am besten besuchte Ecke Hamburgs. Beginnend mit Klaus Störtebekers Hinrichtung auf dem großen Grasbrook am 21. Oktober 1400 bis hin zur Einweihung der U4 Ende 2012 spannt sich ein Bogen interessanter historischer Ereignisse und mündet in eine Beschreibung und fachkundige Beurteilung zum Bau der HafenCity.

Der Autor Egbert Kossak war von 1981 bis 1999 Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg und gibt detailliert Einblicke in die Überlegungen zum Bau der HafenCity, den verschiedenen architektonischen Vorschlägen und nimmt auch Stellung zu den bereits fertig gestellten Quartieren.

Viele historische Karten, Zeichnungen und Fotos stellen das Leben der Menschen am Ufer der Elbe dar, bevor sie der Speicherstadt weichen mussten.

Die Wiesen des Grasbrooks wurden als Weiden für das Vieh und als Ausflugsort genutzt, ebenso aber auch als Richtstätte. Der östliche Teil des Grasbrooks, die  Wandrahminsel, galt als vornehmer Stadtteil; der Holländische Brook erinnert an die wirtschaftliche  Blütezeit. Dem standen  massive soziale Probleme gegenüber, große Teile der Bevölkerung waren verelendet. Die Altstadt ähnelte einem Slum: „Ich habe noch nie solche ungesunden  Wohnstätten, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln am Hafen“, so der Seuchenarzt Professor Robert Koch. Der Kaiser erwog sogar, Hamburg unter Reichsvormundschaft zu stellen. 1896 streikten die Hafenarbeiter, nicht nur wegen der schlechten Bezahlung, sondern auch wegen der Zwangsumsiedlung nach Winterhude, Barmbek, Horn oder Billwerder. Dies bedeutete nicht nur höhere Mieten, sondern auch längere Fußmärsche zur Arbeit in den Hafen. So löste der Bau der Speicherstadt, so schön man sie auch heute empfindet, keinen  Begeisterungssturm  bei der damaligen Bevölkerung aus.

Kossak befasst sich aber auch ausführlich mit der HafenCity: „Natürlich werden viele Bürger und vor allem Stadtplaner der verpassten Chance  einer Hochbahn  vom Baumwall bis zu den Elbbrücken nachtrauern. Die aufgeständerte Linienführung hätte einen grandiosen Ausblick auf die HafenCity, auf  die Elbe und ihr Südufer ermöglicht und wäre wohl auch deutlich kostengünstiger gewesen“.  Auch das Überseequartier unterzieht Kossak einer kritischen Betrachtung: „Leider fehlen dem bisher fertiggestellten  nördlichen Bauabschnitt des Überseequartiers die architektonische  Ausstrahlung und die Milieuqualität, die ein solcher Zentralbereich eines neuen Stadtteils benötigt“.

Eine interessante Zeitreise durch eines der größten touristischen Ballungsgebiete Hamburgs.

„Speicherstadt und HafenCity“ ist im März 2013 im Ellert & Richter Verlag erschienen und kostet 14,95  Euro.