Das Hamburger Rathaus

Die EIngangshalle des Rathauses (Foto: CF)

Ein- und Ausblicke in die Geschichte der Stadt und ihres Rathauses

Senat und Bürgerschaft sind hier zu Hause: das Hamburger Rathaus, das zum Ende des 19. Jahrhunderts seiner Bestimmung übergeben wurde, ist ein offenes Rathaus, das von Hamburgern und Gästen an vielen Tagen im Jahr besichtigt werden kann. Viele Bürger und ausländische Gäste werden zu Ehrungen, Feierlichkeiten, Veranstaltungen oder Empfängen geladen. Andere verfolgen hier die Plenarsitzungen der Bürgerschaft oder den Diskussionsstand in den öffentlichen Ausschüssen. Die einen finden den imposanten Bau beeindruckend, andere wiederum empfinden das Haus als zu pompös. Wann waren Sie das letzte Mal in Ihrem Rathaus? Wir laden Sie ein, uns durch die Geschichte und durch die Räume des Hamburger Rathauses zu begleiten:

Die schwierigen Jahre vor und während des Rathausbaus

Es war ein sehr trockener und ungewöhnlich heißer Mai im Jahre 1842. Viele Fleete waren fast trocken gefallen. In der Nacht zum 5. Mai brach in der Deichstraße ein Feuer im Lagerhaus des Tabakhändlers Cohen aus. Obwohl der Brand rechtzeitig bemerkt wurde, konnten die rasch herbeigeeilten Spritzenmänner das Feuer nicht löschen. Es griff auf die mit leicht brennbarem Material gefüllten Lagerhäuser in der Umgebung über. In der Folge breitete sich der Brand nach Norden und Westen aus und zerstörte fast die gesamte damalige Innenstadt. Die Sprengung einiger Gebäude für eine rettende Feuerschneise wurde vom damaligen Polizeisenator Harting abgelehnt. Er verkannte den Ernst der Lage. Am Morgen des 6. Mais wurde dann das alte Rathaus an der Trostbrücke in einem verzweifelten Rettungsakt mit 800 Pfund Pulver doch noch gesprengt. Die Maßnahme misslang, und das Feuer breitete sich weiter bis zum Jungfernstieg aus. Einzig das damals erst vor einem Jahr eröffnete neue Börsengebäude wurde unter enormen Anstrengungen einiger Bürger gerettet und ragte nun als einziges Gebäude aus der Trümmerwüste. Schon wenige Tage nach dem Brand beschäftigte man sich mit den Plänen für den Wiederaufbau der Stadt. Der Senat beauftragte bereits eine Woche später den englischen Ingenieur William Lindley, Pläne zu erstellen. Lindley hatte die Bahnlinie zwischen Hamburg und Bergedorf gebaut, die eigentlich am 5. Mai eingeweiht werden sollte. Bereits am 1. September 1842 wurde ein endgültiger Wiederaufbauplan von Senat und Bürgerschaft genehmigt. In diesem Plan war das neue Rathaus in unmittelbarer Nähe der Börse vorgesehen. In Anbetracht der eher behäbigen damaligen Zeit war dies eine ausgesprochen rasante Entscheidung! Spendenfreudige Bürger und eine in breiten Bevölkerungsschichten vorhandene „vaterstädtische“ Gesinnung innerhalb eines wirtschaftlichen Wohlstandes unterstützten den Wiederaufbau der Stadt erheblich.

Deckendetail (CF)

Der Neubau des Rathauses ließ aber tatsächlich fast 50 Jahre auf sich warten. Das Waisenhaus in der Admiralitätsstraße wurde 1842 umgehend zum provisorischen Rathaus, und der Senat tagte hier bis zur Fertigstellung des neuen Rathauses. Die Bürgerschaft traf sich im Patriotischen Gebäude, das 1847 auf dem Gelände des zerstörten Rathauses errichtet wurde. Die ersten vagen Vorschläge für das neue Rathaus gab es bereits im Mai 1842. Der Hamburger Architekt Chateauneuf legte eine Skizze vor, die unter dem Einfluss von Gottfried Semper stand, einem Sohn der Stadt und bedeutender Architekt seiner Zeit. Dieser hatte bereits gefordert, dass das neue Rathaus in der Nähe der Börse errichtet werden sollte. Es sollte ein „Venedig des Nordens“ entstehen. Um die Planung des neuen Rathauses zu forcieren, wurde die Rathaus-Kommission gebildet. Aber die Zeiten waren unruhig und schwierig! Die Planung wurde durch vielfältige Ereignisse gebremst. Zunächst war der Wiederaufbau der Innenstadt absolut vorrangig!
Im Jahre 1848 fegte auch durch Hamburg der Sturm der Revolution. Man wollte bürgerliche Freiheit und die alten Machtstrukturen beseitigen, und so beschäftigte sich die Bürgerschaft mit einer umwälzenden Hamburger Verfassungsreform, die 1860 in Kraft trat. Sie war das Ergebnis eines zähen Ringens der Bürgerschaft, mehr Einfluss auf den Senat und dessen Entscheidungen zu gewinnen. Die Stadtrepublik wurde mit einer Mischung aus herkömmlicher ständestaatlicher Ordnung und moderner parlamentarischer Regierung neu organisiert. Aber dazu mehr in einer anderen Folge.
Die Gründung des Deutschen Reichs 1871 brachte weitere einschneidende Veränderungen für Hamburg. Die Zollgrenzen wurden aufgehoben und Hamburg verlor ein sichtbares Zeichen seiner Eigenstaatlichkeit. Die Hamburger bekamen ein gesteigertes Bedürfnis, sich ihrer hanseatisch-bürgerlichen Identität zu versichern, und das sollte der neue Rathausbau ausdrücken.
1854/55 und 1876 gab es internationale Ausschreibungen für den Neubau, die eine Flut von detaillierten Entwürfen, aber auch in den folgenden Jahren keine Entscheidung brachten. Mittlerweile war die Situation ziemlich verfahren und zog den Spott der Welt auf sich. An diesen Wettbewerben hatten sich auch einige Hamburger Architekten beteiligt. Nachdem nun mehrere Jahre vergeblich versucht wurde, eine Entscheidung herbeizuführen, wurde 1879 der Rathausbaumeisterbund von den erfolgreichsten Architekten der Zeit gegründet. Johannes Grotjan, Martin Haller, Bernhard Hanssen, Wilhelm Hauers, Emil Meerwein, Hugo Stammann und Gutav Zinnow hatten sich mit der Rathausfrage lange beschäftigt, sie wussten um die Schwierigkeiten und waren entschlossen, die Rathausfrage gemeinsam unter Zurückstellung ihrer Einzelinteressen zu lösen. Es ging ihnen um Hamburg – ihre Vaterstadt! Sie entwickelten den Entwurf, setzten ihn in einem zähen fünfjährigen Kampf durch und begleiteten später die gesamte 16-jährige Bauzeit. Haller übernahm dabei den Vorsitz. Nachdem der Entwurf des Bundes Weihnachten 1880 dem Senat übergeben wurde, entstand zunächst eine mehrjährige Pause. Es hagelte Kritik, und die wirtschaftliche Depression infolge des sogenannten Gründerkrachs 1873 tat ein Übriges, um die Pläne erst einmal wieder auf Eis zu legen.

Eine der beiden Eingänge ins Rathaus (Foto: CF)

Im Juni 1885 wurde das Projekt „Rathausbau“ endlich von Senat und Bürgerschaft abgesegnet, die Bausumme wurde mit 4,6 Millionen Goldmark beziffert. Nach Fertigstellung sollte der Bau allerdings mehr als das Doppelte, nämlich elf Millionen Goldmark, verschlungen haben – eine offensichtlich zeitlose Erscheinung. Erst 44 Jahre nach dem Großen Brand erfolgte die Grundsteinlegung: auf den Tag genau am 6. Mai 1886. Der Bau sollte weitere elf Jahre dauern. Die Sonderkonjunktur nach 1880 führte zu einem Boom und füllte die Steuerkassen. Hamburg hatte zwar den Status des Zollauslands mit Beginn des Deutschen Kaiserreichs verloren, erhielt aber das Privileg, einen Freihafen zu errichten. Dafür mussten Zollanschlussgebäude errichtet werden, und so entstand die Speicherstadt. Es gab Arbeit in Hülle und Fülle, die Löhne stiegen und viele arbeitsuchende Menschen zogen in die Stadt. Zwischen 1875 und 1895 verdreifachte sich die Bevölkerung! In dieser Zeit erstarkte die Arbeiterbewegung ganz erheblich. Trotz Bismarcks Sozialistengesetzes (1878) gab es in Hamburg eine vergleichsweise liberale Stimmung, und die Gewerkschaften konnten ihre Interessen wahren. Die gute Konjunktur brachte die Bauarbeiter in den entscheidenden Jahren des Rathausbaus in eine sehr starke Position. Besonders die Maurer konnten ihre Forderungen weitestgehend durchsetzen und entwickelten ein ungemein hohes Selbstbewusstsein. Sie sorgten dafür, dass die Bauvorschriften peinlichst eingehalten und damit auch die Unfälle am Bau drastisch reduziert wurden. Letztendlich trugen diese Maßnahmen dazu bei, den Bau solide auszuführen und damit die Qualität zu erhöhen. Als nach der Feier des 1. Mais 1890 Arbeiter massenhaft ausgeschlossen wurden, riefen die Hamburger Maurer wenige Tage später ein Generalstreik aus. Zunächst sah es gut aus für die Arbeiter, selbst die nicht vom Bau ausgeschlossenen Maurer legten solidarisch die Arbeit nieder. Aber auf Dauer konnte man nicht standhalten. Die Gewerkschaftskassen leerten sich, es wurden Ersatzkräfte aus dem Ausland geholt, und so blieb der Streik ohne Erfolg.
Im Sommer 1892 kam die nächste Katastrophe über die Stadt. Der Sommer war außergewöhnlich heiß, der Wasserstand der Elbe extrem niedrig. Zum Bau einer Filteranlage für sauberes Trinkwasser hatte sich der Senat über die Jahre immer noch nicht durchringen können. Das Wasser kam direkt aus der Elbe, die natürlich hoch belastet war. Besonders betroffen von der Cholera waren die Menschen in den Armenvierteln, wo das Trinkwasser auf einige Schöpfstellen beschränkt war. Berühmt ist der Kommentar des zu Hilfe gerufenen Direktors des Berliner Hygienischen Instituts Robert Koch beim Rundgang durch das Gängeviertel: „Meine Herren, ich vergesse, dass ich in Europa bin!“ Als die Stadt im November 1892 für seuchenfrei erklärt wurde, hatte die Epidemie 8.605 Tote gefordert.
Zugleich hatte man enorme wirtschaftliche Probleme, da die Stadt abgeriegelt worden war.

Am 26. Oktober 1897 fand dann endlich die feierliche Einweihung des neuen Rathauses statt. Nach über einem halben Jahrhundert erhielten die Hamburger ihr neues Rathaus. Mit einem Volksfest wurde es offiziell eingeweiht. Dr. Lehmann übergab als Vorsitzender der Rathausbaukommission Bürgermeister Dr. Versmann den Schlüssel „als sichtbares Zeichen, dass das neue Rathaus soweit fertiggestellt ist, um dem Zweck, für welchen es errichtet ist, dienen zu können“. Nicht alle Räume waren komplett fertiggestellt, aber dennoch war ein beeindruckendes Gebäude entstanden. (UL/CF)