Kultur und Kreative als belebender Faktor im Stadtteilaufbau

Temporäre Nutzungen als belebender Faktor in der StadtplanungTemporäre Nutzungen als belebender Faktor in der Stadtplanung
Temporäre Nutzungen als belebender Faktor in der Stadtplanung

Her mit den armen Künstlern

Mit der Kultur in der HafenCity ist das so eine Sache: Da ist die eine Fraktion, die meint, in einem so jungen Stadtteil könne es noch keine Kultur geben, und es müsse unbedingt etwas getan werden, etwas organisiert werden – mehr Events, mehr Events! Auf der anderen Seite stehen die, die etwas nüchterner an das Thema herangehen und feststellen, dass die HafenCity eigentlich ein Stadtteil ist, der von Kultur jeder Größenordnung nur so überquillt, nirgendwo sonst in Hamburg gibt es auf so engem Raum mehr davon. Wenn man sich die Standpunkte beider Seiten ansieht, fällt es aber dann doch schwer, ein qualifiziertes Urteil zu fällen. Zum einen kann die HafenCity auf eine kleine, aber lebendige Szene an eigenen Kulturschaffenden blicken. Da sind viele Musikveranstaltungen, die – fast schon inflationär – dafür sorgen, dass man fast an jedem Wochentag Livemusik hören kann. Da sind die großen Kultureinrichtungen wie die Museen, die Kunstmeile liegt in unmittelbarer Nähe der HafenCity, irgendwann kommt die Elbphilharmonie, Musicals sind im Anmarsch, Prototyp, Maritimes Museum, Speicherstadtmuseum, Zollmuseum – die Aufzählung der Einrichtungen, die fußläufig zu jeder Tageszeit zu erreichen sind, ist lang. Zahlenmäßig am größten sind die Galerien vertreten – Schätzungen gehen von mehr als 50 in direkter Nähe zur HafenCity aus. Also reichlich Kultur dem Augenschein nach und eigentlich kein Grund, den Entwicklungshilfetopf aufzumachen, und weit weg von der HafenCity als Drittweltstadtteil in Sachen Kunst. Manch ein Vorstadtstadtteil würde sich freuen, auch nur auf einen Bruchteil der Einrichtungen zurückgreifen zu können.

Besser genutzte Flächen als leere Flächen
Besser genutzte Flächen als leere Flächen

Und doch fehlt etwas: Wer sich die HafenCity abends ansieht, stellt leicht und besonders im Winter fest, dass die Straßen leer sind, in der Gastronomie langweilen sich die Bedienungen und die einzige Kultur, über die man stolpert, sind in der Dunkelheit umherirrende Fotografen. Kultur, die Menschen anzieht, findet in der HafenCity tagsüber statt und ist kommerziell, und trotz der unzähligen Einrichtungen immer nur punktuell für Menschen anziehend. Die Angestellten sind nach Feierabend aus der HafenCity verschwunden, genauso wie die Touristen, die tagsüber die HafenCity bevölkern. Bei den Hamburgern ist die HafenCity als kultureller Ort nur über die Massenveranstaltungen angekommen, im Alltag geht man lieber woanders hin. Hier kommen dann die Freunde der Entwicklungshilfe für die HafenCity zum Zuge, denn was der HafenCity fehlt, ist die Kultur als Selbstzweck, Kunst, die gemacht wird, weil der Künstler sie machen muss und nicht weil er sie dort verkaufen will, wo vermeintlich zahlungskräftiges Publikum vorhanden ist – und in der Folge auch Kultur, die schlicht da ist, wo sie ist. Da helfen auch keine geplanten Kreativen-Ghettos in Randbereichen wie dem Oberhafen, eine solche Kultur muss flächendeckend Raum haben – auch weil eine solche Kultur Auswirkungen auf den sie umgebenden Raum hat. Doch wie erreicht man einen solchen Zustand? Einer breiten Öffentlichkeit dürfte schwer zu vermitteln sein, dass ein in der Außenwirkung empfundener Luxusstadtteil monetär geförderte Kultur benötigt. Ein Ansatz sind die leer stehenden Erdgeschossflächen, die es in der HafenCity reichlich gibt. Dabei könnten gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Zum einen gibt es in der Außenwirkung der HafenCity kaum einen schädlicheren Aspekt als jahrelang gähnend leere Ladenflächen, zum anderen besteht unter den Kulturschaffenden Hamburgs durch den zunehmenden Verdrängungsdruck immer ein Bedarf an Flächen, auf denen gearbeitet und präsentiert werden kann. Zwar gibt es hier und da schon löbliche Ansätze, leere Flächen temporär zu nutzen, ein Denkansatz der HafenCity GmbH geht da aber noch weiter: Klauseln in den Überlassungsverträgen ermöglichen, Druck auf die Vermieter von Flächen auszuüben, Leerstände nach einer Übergangszeit füllen zu müssen. Zunächst dürfte ein Aufschrei durch die Eigentümerschaft gehen, aber bei einer geschickten Gestaltung könnte ein solches Modell zu vielerlei Nutzen sein. Gefüllte lebendige Flächen führen zu einer Belebung gerade dann, wenn sie mit Projekten gefüllt werden, die nicht sofort ihren kommerziellen Nutzen offenlegen müssen. In der Folge wird der Vermietungsmarkt auch attraktiver für Folgemieter, die Schritt für Schritt zu regulären Mieten geführt werden können. Und wer weiß, vielleicht erweist sich der eine oder andere Temporärnutzer als zukünftiger potenter Normalmieter – es wäre nicht das erste Mal.