Seefahrerromantik

Früher konnte man noch einfach direkt an den Schiffen anheuern
Früher konnte man noch einfach direkt an den Schiffen anheuern
Gibt es die noch?

Neulich abends, Ecke Kreuzfahrtterminal/U4-Baustelle. Ich unterhalte mich  mit zwei Nachbarn. Aus der U4-Baustelle kommt ein junger Mann mit Seesack über der Schulter, groß, kräftig aber erkennbar sehr jung. „Entschuldigen sie bitte, darf ich sie etwas fragen?“. Die Unterhaltung stoppt, alle wenden sich dem Neuankömmling zu und nicken. „Natürlich!“ Der junge Mann holt tief Luft und stellt seine Frage: „Wo geht es denn hier zu den großen Schiffen?“. Verblüfft stelle ich die Gegenfrage: „Welche großen Schiffe denn?“ – „Die, mit denen man möglichst weit weg kommt!“.  „Oha!“ denke ich und mache mir Gedanken, wie man ISPS und Sicherheitsbestimmungen in Zeiten von Terrorbekämpfung möglichst simpel erklärt. Wir versuchen ihm klar zu machen, dass das Ansinnen nicht so einfach in die Tat umzusetzen sein wird und normalerweise der Weg auf ein Schiff über das Arbeitsamt oder eine Reederei führt. Er bleibt aber hartnäckig und erklärt das er aus Passau käme und unbedingt noch heute Abend auf ein Schiff müsse.

Dem Vorschlag es doch erstmal mit einer Barkasse zu probieren nimmt er die Ernsthaftigkeit mit der Frage: “Was ist denn eine Barkasse?“. Eine echte Landratte.

Doch das ist heute nicht mehr üblich
Doch das ist heute nicht mehr üblich
Wir verlegen uns auf Vorschläge die weniger mit der Erfüllung seines Wunsches, als mit dem Schutz vor sich selbst zu tun haben und schlagen ihn vor doch erstmal in der nahe gelegenen Kapelle der „Brücke“ Ruhe zu suchen, oder sich an die Bahnhofsmission zu wenden.

Die Erklärungen mit dem Arbeitsamt scheinen jetzt zu ihm durchzusickern. „Wo ist denn das nächste Arbeitsamt?“ Jetzt sind wir allesamt ratlos: „Berliner Tor? Aber das hat jetzt garantiert zu!“ – „Wann macht es denn wieder auf?“ – Nach der Antwort „Morgen früh“ und dem Hinweis auf die Jugendherberge am Stint fang und nachdem er sich ordentlich bedankt hat verschwindet er in Richtung Marco-Polo-Terrassen. Wir sehen uns alle ein wenig ratlos an. Ein Hauch von Seefahrerromantik hat uns gestreift, völlig unerwartet und ist sofort mit der Realität kollidiert. Stellt sich die Frage, wie man dem jungen Mann korrekt geantwortet hätte und natürlich was aus ihm geworden ist. Doch die Antwort darauf wird wohl offen bleiben,