Stromanschluss am Strom

Die Gesundheit von Menschen kann nicht Gegenstand wirtschaftlicher Überlegungen sein

Die Geschichte vom Landstrom und wie man ihn aufs Wasser bekommt

Es ist schon ein wenig plan- und hilflos, was der Senat da in Sachen Landstrom zum Besten gibt. Liegt es daran, dass Behörden per se langsam sind, oder fehlt schlicht der Wille, irgendetwas am Status Quo zu ändern? Da gibt der Senat im September zur Kenntnis, dass er die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen im Hafen Hamburg deutlich reduzieren will – guter Vorsatz, aber im Prinzip wissen das die Hamburger inzwischen schon ziemlich lange und warten auf die Realisierung. Aber stattdessen gibt es erst mal wieder ein Expertengutachten – die Beraterrepublik lässt grüßen. „Nach Untersuchung unter anderem der technischen Machbarkeit, zur Wirtschaftlichkeit und zu den möglichen Umweltentlastungen legt der Senat heute die Ergebnisse vor. Der Senat sieht sowohl den Einsatz von Power-Bargen, das heißt Leichtern mit oder ohne eigenen Antrieb, die mit mobilen Kraftwerken bestückt sind, als auch die Errichtung einer stationären Landstromversorgung als Lösungswege an. Bis Ende des Jahres wird geklärt, wie die Lösung im Hamburger Hafen konkret aussehen wird.“ So der Wortlaut einer Senatsverkündigung, bei der man sich fragt, ob es denn überhaupt noch andere Alternativen gibt und warum man sich nicht einfach die Arbeit spart und bei Häfen wie Los Angeles abkupfert, die das Thema Stromversorgung schon längst umgesetzt haben.

Qualmen tun sie alle – ob Container- oder Kreuzfahrtschiff ist da egal – solange es keine Regeln gibt wird auch nur soviel getan wie gerade notwendig

Die Drucksache weiter: „Die Untersuchungen des Senats zum Landstrom zeigen, dass die Versorgung der Kreuzfahrtschiffe mit elektrischer Energie technisch machbar ist. Sowohl in Altona als auch in der HafenCity ist es möglich, eine stationäre Landstromversorgung einzurichten. In beiden Fällen muss dafür ein Anschluss an das städtische 10-kV-Netz wie auch weitere Infrastruktur (insbesondere Frequenzwandler und Transformatoren) geschaffen werden. Alternativ zur stationären Energieversorgung aus dem städtischen Netz ist der Einsatz von mobilen Power-Bargen eine Option. Viele Kreuzfahrtschiffe sind bereits für die Nutzung von Landstrom vorbereitet, müssen allerdings noch mit weiterer bordseitiger Technik ausgerüstet werden. Der dafür zugrunde zu legende Standard wurde in diesem Jahr veröffentlicht und stellt sicher, hier keine Insellösungen zu schaffen. Schiffe werden dann in den Häfen, die nach diesem Standard ausgerüstet sind, vergleichbare technische Bedingungen vorfinden. Das ist ein wichtiger Aspekt für die Wettbewerbsfähigkeit.“ Bei so viel Unentschlossenheit könnte der Argwöhnische auf die Idee kommen, dass der wirkliche Grund für diese Verzögerungstaktiken nichts mit Technik zu tun hat – dass es geht, wissen wir ja schon längst –, sondern dass hinter den Kulissen ein Kampf zwischen verschiedenen Lobbygruppen ausgefochten wird, die Vertreter der Wirtschaft und der jeweiligen Technik sind und denen ein entscheidungsschwacher Senat nichts entgegensetzt.

Dabei gibt es schon für fast alle Probleme fertige Lösungen – sie kosten nur Geld …

Selbst eine Initiative von AIDA Cruises, denen inzwischen die Geduld ausgegangen ist und die mit einem eigenen Konzept Fakten schaffen wollen, wird zwar mit Worten gelobt und begrüßt, aber: „Die Fragen der Genehmigungsfähigkeit des vorgestellten ‚LNG-Hybrid-Barge‘-Konzeptes werden derzeit intensiv geprüft. Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation wird, soweit rechtlich möglich, die Umsetzung dieses Konzeptes flankieren.“ Auf gut Behördendeutsch: befreundeten Berater einschalten und abwarten. Senator Frank Horch zur AIDA-Initiative: „Diese erfreuliche Entscheidung ist ein deutlicher Beleg für die wachsende Bedeutung von Umweltaspekten in der Kreuzschifffahrtsbranche. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, das positive Wachstum der Anläufe von Kreuzfahrtschiffen im Hamburger Hafen mit einer Minimierung der Emissionsbelastung zu verbinden.“ Die Behörde des Senators will zudem gemeinsam mit der Umweltbehörde einen Umsetzungsplan für Bau und Betrieb einer stationären Landstromanlage für Kreuzfahrtschiffe am Kreuzfahrtterminal Altona erarbeiten und bis Dezember vorlegen. Altona soll aufgrund der nautischen Situation und der leistungsstarken Terminalinfrastruktur für eine stationäre Landstromanlage besonders interessant sein. Eine stationäre Landstromanlage am Kreuzfahrtterminal HafenCity könnte zwar beide Liegeplätze bedienen, soll aber laut dem Senat nicht gleichzeitig möglich sein. Das heißt, sind beide Liegeplätze belegt, kann nur ein Schiff während der Liegezeit Landstrom beziehen. Da sind die mobilen Lösungen von AIDA-Cruises doch genau das Richtige, aber wozu gibt es Gutachter? Also ein weiteres Gutachten. Jetzt muss man sich nur vorstellen, dass die Immissionen der Kreuzfahrtschiffe ja nur der publikumswirksame Teil der Luftschadstoffe im Hafen sind und eine echte gesamtheitliche Lösung eigentlich den gesamten Hafen betrifft.

Und so wird munter weiter gequalmt

Ja – da streikt die Fantasie, und man möchte sich gar nicht ausmalen, welche Beraterheere sich da dann eine goldene Nase verdienen mögen. Da lobt man sich die Amerikaner, die dann einfach machen und sagen, dass Schiffe ohne passenden Landstromanschluss sich gar nicht mehr blicken lassen brauchen. Fertig, Problem auf die Reedereien verlagert. Und selbst der viel gescholtene Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port hat, obwohl luftverschmutzungsmäßig in einer eher unauffälligen Ecke der Republik gelegen, schon die passenden Vorrichtungen für die Landstromversorgung immerhin schon vorbereitet – die Kosten für die Realisierung aber dann doch gescheut. Klar ist: Noch einfacher und umweltfreundlicher wären weltweite Auflagen, die die Schiffe zwingen, sauberen Treibstoff und Abgasreinigungsanlagen zu verwenden, dann wäre die ganze Diskussion um die Landstromversorgung schlicht überflüssig. Neue internationale Regelungen dazu sind auf dem Weg, die aber bei Weitem nicht die wirklich notwendigen Umweltziele enthalten. Sollte der Senat mit seiner Aussitzungsstrategie diese Regeln vor Augen haben, hat er mit Zitronen gehandelt.