„Über Verantwortung, Loyalität und Moral“

Der Himmel über Green Harbour
Der Himmel über Greene Harbour

Buchtipp: „Der Himmel über Greene Harbor“ von Nick Dybek

„‚Keiner könnte dir etwas antun‘, sagte ich. ‚Draußen auf See?‘ Er knöpfte seinen Mantel zu, griff den Sturmriegel am Kragen und schloss ihn um seinen Hals. ‚Da draußen könnten sie mir alles Mögliche antun.‘

Jeden Herbst lassen die Fischer von Loyalty Island den grünen Nebel der Olympic-Halbinsel hinter sich und fahren auf die Beringsee hinaus. Auch der Vater des 14-jährigen Cal arbeitet, wie alle anderen Männer aus dem Ort, in der Flotte von John Gaunt. Dann stirbt John Gaunt – und dessen Sohn Richard, der ein Außenseiter ist und nie einen Fuß auf einen Kutter gesetzt hat, soll die Geschäfte übernehmen. Wird Richard das Erbe antreten? Oder wird er das Unternehmen und die Flotte seines Vaters an Asiaten verkaufen? Bei dem jährlichen Festessen, dass sonst von John Gaunt ausgerichtet wurde und nun bei Cals Vater stattfindet, kommt es zum Eklat: Der nicht eingeladene Richard taucht plötzlich auf. „Er wuchtete den Koffer mit dem Donald-Duck-Aufkleber hoch und hielt ihn an die Brust. Irgendetwas tropfte vom Scharnier und lief über die Bügelfalte seiner Hose. […] Er löste die Verschlüsse, und der Koffer sprang auf. Ein Wasserfall aus zerbrochenem Glas, aus Salzlake und aus farbiger Masse ergoss sich auf die Tafel – das Orange erbsengroßer Fischeier, das dunkle Rotbraun innerer Organe, das Metallische Grün von Grillenpanzern, das Silber von Flügeln.“

Richard droht mit dem Verkauf – und die Fischer bangen um ihre Existenz. Als Cal eines Abends zufällig ein Gespräch der Männer belauscht, erhärtet sich sein Verdacht: Wollen die Fischer Richard wirklich aus dem Weg schaffen und töten? Der Winter naht – und Richard verschwindet.

„Der Himmel über Greene Harbor“ ist zweigeteilt in die Zeit vor Richards Verschwinden und der Zeit danach. Während der erste Teil noch wie ein Meer ist, das sich zeit- und raumlos etwas schwerfällig bewegt, ändert sich das Tempo im zweiten Teil: Ein Sturm zieht auf, die Wellen brechen über Cal und seinen Freund Jamie zusammen. Nachdem auch Cals Mutter Greene Harbor verlassen hat, hat Cal nur noch Jamie, mit dem er sich austauschen kann: über das Verhältnis zu seinem Vater, über Recht und Unrecht und über die Frage, mit wem sie über Richards Verschwinden sprechen müssen. Wie wichtig sind Familienbande – inwieweit muss das Leben und die Freiheit anderer respektiert werden, auch wenn sie eine Bedrohung für die Allgemeinheit darstellen?

Ein spannendes Buch, das viele überraschende Wendungen erfährt.

Dies ist der erste Roman von Nick Dybek, der 1980 in Michigan geboren wurde und dessen Übersetzungsrechte bereits in mehrere Länder verkauft wurden.

„Der Himmel über Greene Harbor“ ist am 12. Februar 2013 im mareverlag erschienen.

19,90 Euro, gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag und Lesebändchen