Die aufgekratzte Schöne

So soll die Seilbahn einmal aussehen (Illustration: Leitner)
So soll die Seilbahn einmal aussehen (Illustration: Leitner)

Von Riesenrädern und Seilbahnen

Da staunte so manch einer nicht schlecht, als im November beim Gewerbetreibenden-Treffen im Kesselhaus HafenCity-Chef Jürgen Bruns-Berentelg die inzwischen qualifizierte Sicht der Planer auf die Umsatzquellen in der HafenCity kundtat. Zwei Drittel des jetzigen und auch des zukünftigen in der HafenCity ausgegebenen Geldes wird mittel- oder unmittelbar aus den Taschen von Touristen kommen. Damit verbunden, steht dann auch zwischen den Zeilen die Einsicht, dass die HafenCity eben nicht die immer erhoffte Vergrößerung der Innenstadt ist, sondern ein eigenständiger Stadtteil in Innenstadtnähe, der insbesondere für Touristen interessant ist und in dem mit Touristen Geld verdient wird. Eine Erkenntnis, die sich erst allmählich im Stadtteil selbst manifestiert, deren Konsequenz aber weitreichend die Zukunft des Stadtteils am Wasser bestimmen wird. Die Zahlen sprachen dabei eigentlich auch schon vor dieser Erkenntnis für sich: Rund 12.000 Einwohner stehen einmal über 50.000 Studenten und Angestellten gegenüber, doch schon jetzt hat die Gruppe der Touristen den größten Anteil in der HafenCity – allein das Miniatur Wunderland zieht über eine Million Besucher in die Speicherstadt, für die Elbphilharmonie erwarten Experten noch höhere Besucherzahlen.

Das London Eye inmitten Londons Zentrum
Das London Eye inmitten Londons Zentrum

Nun mag man sich gegen die Entwicklung der HafenCity zum Touristenmagneten stemmen. Nützen wird es nur wenig, zu attraktiv sind Wasser, Museen, Kreuzfahrtschiffe und das Highlight Elbphilharmonie, als dass an dieser Entwicklung noch etwas geändert werden könnte. Besser noch, warum nicht zum Wohle Hamburgs und der HafenCity diese Entwicklung noch unterstützen? Neben dem immer noch in den Masterplänen auftauchenden Science-Center, für dessen Finanzierung sich immer noch kein Investor gefunden hat, kursieren derzeit zwei Projekte durch die verschiedenen Gremien und Medien, die insbesondere unter dem touristischen Aspekt der HafenCity und des möglicherweise anstehenden Funktionswandels des Hafens durchaus einen zweiten Blick wert sind. Da ist zum einen ein stationäres Riesenrad, dessen mobile Variante die HafenCity schon erleben durfte. Vorbilder wie das London Eye, das Riesenrad im Wiener Prater oder der Singapore Flyer in Singapur und etliche geplante Riesenräder in fast allen Metropolen der Welt könnten den Schluss nahelegen, dass zu einer Weltstadt ein Riesenrad gehört – nur Hamburg ziert sich mal wieder und diskutiert das ganze Thema zu Tode.

Roosevelt Island Tramway in New York (Foto:Kris Arnold)
Roosevelt Island Tramway in New York (Foto:Kris Arnold)

Denn darum, wo die meisten Kritikpunkte ansetzen, geht es bei einem stationären Riesenrad ja gar nicht: Die Jahrmarktsanmutung von Theo Rosenzweigs mobilem Riesenrad würde ja gar nicht – folgt man den Vorbildern in den anderen Metropolen – bunt blinkend daherkommen, sondern eher nüchtern seriös, und eigentlich drängt sich einem ein prädestinierter Platz für ein solches Riesenrad förmlich auf: Im Masterplan gibt es schon einen Kringel, nämlich das Science-Center, auf dessen Finanzierung man wohl noch lange warten kann. Also: Vergesst das Science-Center, her mit dem Riesenrad! Auch das zweite Projekt – die beiden Seilbahnen – kann unter dem Aspekt des Tourismus nur positiv bewertet werden. Vergessen wir hierbei einmal die St.-Pauli-Variante – der hier wie dort amtierende Bezirksamtschef ist erklärter Gegner der Seilbahn und wird sich gegen die dort vorherrschende Protesthaltung nicht durchsetzen können und wollen, doch bei der HafenCity-Seilbahn haben noch mehr Parteien ein Wort mitzureden. Das macht es auf der einen Seite schwieriger, auf der anderen Seite aber auch einfacher, das Projekt anzuschieben. Doch um was geht es dabei eigentlich? Eine von der italienischen Firma Leitner geplante Seilbahn soll von der HafenCity-Seite die Elbe überqueren und auf der Hafenseite die beiden Musical-Theater gegenüber den Landungsbrücken erreichen. Die Besucher der Musicals und Touristen reisen in rund 90 Metern Höhe über die Elbe, können den Hafen aus ungewöhnlicher Perspektive erleben und kommen barrierefrei innerhalb kürzester Zeit an ihr Ziel. Der Seilbahnhersteller will die Aufstellung kostenfrei für Hamburg arrangieren – so weit, so gut. Eine Elbquerung wird kein einfaches Unterfangen – 90 Meter Höhe übertreffen selbst die New Yorker Roosevelt Island Tramway, die in 76 Metern Höhe den Hudson überquert –, doch die Fahrt mit der Seilbahn dürfte ein ziemlich atemberaubendes Erlebnis werden. Kritiker sehen – wie fast bei jedem größeren Projekt in Hamburg – das Stadtbild in Gefahr, doch irgendwann muss sich Hamburg einmal überlegen, was es sein will: Weltmetropole oder ewige Provinz. Letztlich ist es ja nur eine Frage des Willens und der Vorgaben, den Streckenverlauf zum Beispiel so zu gestalten, dass der Verlauf näher an die Elbbrücken gelegt wird und somit bei geschickter Streckenplanung keine hohen Pfeiler notwendig sind. Der Sprung über die Elbe könnte so wesentlich früher und kostengünstiger stattfinden, als zu warten, bis die U-Bahn irgendwann einmal soweit ist. Und bei aller Kritik: Seilbahnen sind inzwischen in aller Welt ein akzeptiertes kostengünstiges Verkehrsmittel für schwierige Umgebungen – und das sind der Hafen und die Elbe ja nun mal. Und um zurück zum Tourismus zu kommen: Eine Seilbahn in der HafenCity wäre natürlich eine Riesenattraktion und würde seinerseits Hunderttausende Besucher jährlich anziehen. Um sich das Bild der zukünftigen HafenCity in Gänze vor Augen zu führen: angefangen bei der Elbphilharmonie über das Kreuzfahrtterminal hin zu Riesenrad und Seilbahnstation, Musical-Theater rundum, dazu der einmalige Hafen und kilometerlange Promenaden. Die HafenCity wird sich vor Besuchern nicht retten können. Für die Bewohner ist diese Zukunftsvision wichtig – nämlich für die Entscheidung: Will ich hier wohnen oder nicht? Selbst, wenn nicht alle Projekte Wirklichkeit werden, ein großer Teil wird kommen, und zu den Spitzenzeiten wird die HafenCity überquellen mit Besuchern aus aller Welt – viel mehr als jetzt schon ohnehin kommen.