Die Trojanische Bahn

Kommentar: Am 24. August entscheiden die Wahlberechtigten in Hamburg-Mitte über eine Seilbahn auf St. Pauli

Stellen Sie sich vor: Sie sitzen in Ihrem Wohnzimmer. Plötzlich klingelt es an der Tür. Draußen steht ein ansonsten netter Nachbar, der Ihnen ein Angebot unterbreitet, das Sie seiner Meinung nach nicht ablehnen können. Er will Ihnen einen 84 Zoll großen Ultra HD Fernseher mit 3D-Polfiltertechnik schenken, der Sie keinen Cent kostet. Dazu sagt er Ihnen die Übernahme der höheren Stromkosten zu und stellt eine aus seiner Sicht nur geringfügige Gegenforderung für dieses überaus generöse Geschenk. Er will ein paar Mal am Tag bei Ihnen vorbeikommen – Besucher und Familie mitbringen – und gemeinsam mit Ihnen Fernsehen schauen! Da kann man doch nur begeistert Hurra schreien! Oder?

So oder ähnlich müssen Anwohner auf St. Pauli gestaunt haben, als sie das erste Mal davon hörten, dass sie eine Seilbahn geschenkt bekommen sollen.

Ja. Es stimmt. Wie alle Beispiele hinkt auch dieses erheblich. Wie aber wehrt man sich gegen ein Geschenk, das man gar nicht haben will? Oder – gönnen wir uns mal einen Perspektivenwechsel – wie erreicht man als Entertainment-Unternehmen, das zwei Musicaltheater auf der anderen Seite der Elbe betreibt, dass die Hauptstadt der Musicals dieses Geschenk annimmt?

Um alle Argumente abwägen zu können, gilt es erst einmal, mit einem Märchen aufzuräumen: Dieses Geschenk gibt es nicht umsonst! Schon heute steht fest, dass – egal, ob die Seilbahn kommt oder nicht – dem Bezirk Mitte rund 200.000 Euro an Kosten entstehen. Auf diesen Betrag werden die Kosten für Druck und Versand der Informationsbroschüre sowie die Personalkosten des Bürgerentscheides geschätzt.

Nun werden viele die Stirn runzeln und bemerken, dass Bürgerentscheide in Hamburg zu Recht ein demokratisches Instrument der Entscheidungsfindung sind und dass Demokratie nun mal Geld kostet. Und dieser Einwand ist natürlich richtig. Und trotz oder gerade deshalb gilt es zu fragen: Welchen Mehrwert bringt eine Seilbahn den Bürgern? Schließlich heißt dieses basisdemokratische Instrument „Bürgerentscheid“ und ist nicht dafür gedacht gewesen, Unternehmensinteressen so legitim sie auch seien durchzusetzen. Welche Beweggründe treiben die Hauptinitiatoren der Initiative „Pro Seilbahn“, die nicht Bewohner des betroffenen Stadtteils sind? Und müssen wir künftig häufiger damit rechnen, dass die Bewohner auf St. Pauli sich gegen Veränderungen sträuben und den Stadtteil, der von Touristen und Besuchern lebt, für sich allein reklamieren?

Entscheiden Sie, ob Sie als Bewohner von Hamburg-Mitte für oder gegen eine Seilbahn sind und worin für Sie der Mehrwert dieses „Geschenks“ besteht. Hilfestellung sollten neben der Broschüre (zur Erinnerung: Die Kosten für Druck und Versand betragen rund 170.000 Euro) auch unter anderem folgende Internet-Seiten bieten: www.ja-zur-seilbahn.de und www.keine-seilbahn.de

Egal, ob Sie für oder gegen eine Seilbahn vom Millerntor bis zu den Musical-Theatern sind, jede Stimme – auch die nicht abgegebene – zählt! Denn die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet über Pro oder Contra. CF