„Ich wollte mal Wanderprediger werden“

Wortgewaltige Reden sind Jörn Walters Markenzeichen (Fotos: TH)
Wortgewaltige Reden sind Jörn Walters Markenzeichen (Fotos: TH)

Oberbaudirektor Jörn Walter wurde verabschiedet

Seine kreative Unruhe hat jeder verspürt, der mit ihm zu tun hatte. Seine enthusiastischen oft wortgewaltigen Reden sind fast schon legendär: Nun wurde Hamburgs Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter nach 18 Jahren im Amt verabschiedet.

Der studierte Raumplaner hatte 1999 den Posten des Oberbaudirektors in Hamburg von Egbert Kossak† übernommen. „Topografisch flach und trotzdem mit Panorama und mit historischer Silhouette“ habe er Hamburg einmal beschrieben. Und tatsächlich schien er nie bei allen Planungen die Bezüge zum Wasser und die zur Vergangenheit eines Quartiers außer Acht zu lassen, um dann zu bewerten, was in Zukunft dort entstehen sollte. Jörn Walter trat auch das Vermächtnis der Planungen für die HafenCity von Peter Dietrich, Henning Voscherau und Volkwin Marg an und zeigte hier seine ausgeprägte Liebe zum Detail: unzählige städtebauliche und landschaftsplanerische Wettbewerbe hat er in der HafenCity ausloben lassen und für jedes Gebäude einen Architekturwettbewerb. Er begleitete alle Bauvorhaben vom Entwurf bis zur Fassadenbemusterung, hat an jeder Jurysitzung teilgenommen und jeden Baustellentermin persönlich wahrgenommen. In der HafenCity kenne er jedes Fensterprofil, jeden Stein und jede Bank, heißt es. Bis heute habe er als Oberbaudirektor die HafenCity ästhetisch und städtebaulich auf nachdrückliche Weise geprägt, so Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, HafenCity Hamburg GmbH-Chef. Aber auch der Sprung über die Elbe wird mit Jörn Walter verknüpft werden. Lange vor der Bauausstellung und Gartenschau in Wilhelmsburg hatte er das Potenzial des Hamburger Südens erkannt und den ersten programmatischen Baustein, das sogenannte Weißbuch, mit Bürgern vor Ort im Jahr 2000 entwickelt.

Gewohnt ausdrucksstark - Jörn Walter
Gewohnt ausdrucksstark – Jörn Walter

Unter der Ägide Walters sind weitere Projekte wie die Tanzenden Türme auf St. Pauli oder die Europa-Passage realisiert worden, angeschoben sind unter anderem die Planungen der City-Höfe, der A7-Deckel oder auch der Elbtower im Elbbrücken Quartier. Die schwerste Niederlage in Hamburg musste Walter bei seinen Stadtentwicklungsplänen auf dem Kleinen Grasbrook hinnehmen, die durch die Ablehnung Olympias durch ein Volksreferendum nicht realisiert werden konnten. Bei seinem feierlichen Abschied im Hamburger Rathaus bezeichnete es Jörn Walter, der angeblich mal Wanderprediger werden wollte, als größtes Glück in seinem Leben, dass er in Hamburg arbeiten durfte. Jörn Walter ist im Mai 60 Jahre alt geworden. Trotzdem wird er sicherlich nicht in den Ruhestand gehen. Er gilt als einer der engagiertesten Verfechter für eine Reform der bestehenden Baunutzungsverordnung, die dem Ziel einer modernen urban gemischten Stadt nach seiner Auffassung im Wege steht. Außerdem ist er unter anderem Mitglied im Beirat der Bundesstiftung Baukultur, Buchautor und Honorarprofessor an der HafenCity Universität. Die Nachfolge von Jörn Walter tritt Franz-Josef Höing an. Er wurde im Jahr 2000 persönlicher Referent des scheidenden Oberbaudirektors und leitete damals die Projektgruppe HafenCity. Als Baudirektor war er für die Anfänge der Bebauung im neuen Hamburger Quartier mitverantwortlich. n    TEN