Kirchentag in der HafenCity

Starke Bilder am Grasbrookhafen
Starke Bilder am Grasbrookhafen

Im Bann der blauen Schals

Schonmal ein Resümee vorab: Wenn man schon fünf Tage zwangsbeschallt wird, am Feiertag um acht Uhr morgens durch einen Soundcheck aus dem Bett geworfen wird – auch wenn es kein christlicher Feiertag ist – sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass die davon betroffenen Anwohner freien Eintritt zu den Veranstaltungen haben und die Konzerte ohne störende Echos oder nur die Bässe zu hören bekommen. Ansonsten kann man vom Kirchentag halten was man will – die HafenCity war voll – so voll wie nie, und die Illumination des Grasbrookhafens war sehr stimmungsvoll, schöne Bilder garantiert. Der Eröffnungsgottesdienst am Maifeiertag bescherte Medien und Veranstaltern eindrucksvolle Bilder, immerhin 35000 Besucher sollen den Quellen zufolge Strandkai und die umliegenden Promenaden bevölkert haben. Weitaus weniger – möglicherweise weil zu politisch und zu ernst – waren zur ersten Veranstaltung am Lohseplatz gekommen: Nur rund 150 Menschen interessierten sich für das Gedenken an die Deportation von Juden, Sinti und Roma sowie politisch Andersdenkender über den Hannoverschen Bahnhof im dritten Reich.

Bewegende Momente am Lohsepark
Bewegende Momente am Lohsepark

Dabei machte gerade dieses Gedenken betroffen weil ein klug gewählter Mix aus Berichten von Zeitzeugen, vorgetragenen Berichten und die Sache an sich nicht das Problem anderer Leute war und ist, sondern wie eindrucksvoll von den drei Generationen der Sinti-Familie Weiss vorgetragen, auch heute noch akut und beileibe nicht verarbeitet ist.  Der Hamburger Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch brachte in Begleitung zweier junger Polizeibeamter die Verbrechen der Hamburger Polizeiverbände zur NS-Zeit in Erinnerung. Die beiden Beamten verlasen zwei beispielhafte Zeugenprotokolle aus Gerichtsverhandlungen der Sechziger Jahre – schreckliche Zeugnisse, die einige anwesende Eltern dazu brachten ihre Kinder außer Hörweite zu bringen. Der strahlend blaue Himmel wollte so gar nicht zum Gedenken passen. Den alltäglichen Schrecken von Rassismus brachten Sprecher des Eimsbütteler Turnvereins zu Gehör, die Reden von zuletzt noch geächteten Vorsitzenden zitierten, in ihrer Banalität ebenso ernüchternd wie entlarvend.

Und für ganz schlichte Gemüter waren auch ein paar Engel im Angebot
Und für ganz schlichte Gemüter waren auch ein paar Engel im Angebot

An dieser Stelle sei die Ausstellung die an diesem Tag eröffnet wurde noch einmal empfohlen. Sie ist immerhin die einzige Möglichkeit – außer später einmal die künstlich wiederhergestellten Bahnhofsgleise am Lohsepark – in der HafenCity Kontakt mit der nicht immer rühmlichen Vergangenheit Hamburgs zu schließen. Der Kirchentag wird auch demnächst zur Vergangenheit gehören – als Nichtteilnehmer bleiben dann schöne Momente wie der Abend am Grasbrookhafen in Erinnerung, aber auch durch Konfirmandengruppen überfüllte S-Bahnen, in denen hysterische Gruppenleiterinnen Hundebesitzer und Fahrradfahrer zur Minna machen. Und natürlich auch die Kombination Horn der Deutschland mit Konzert plus sonstige Nebengeräusche, die Mitleid mit den Bewohnern des Marco-Polo-Towers aufkommen ließen.

Versöhnliches zum Schluss: Natürlich hat eine Großveranstaltung auch ihre Schattenseiten, das Abschlusskonzert am Strandkai am Samstag versöhnte aber wieder mit vielem – Soul und Gospel vom Feinsten, der Toningenieur – oder die gewechselte Windrichtung – sorgen endlich für annehmbaren Sound auch für unfreiwillige Zaungäste – Alles Prima.

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