Mein Leben in der HafenCity. Von Jimmy F.

Jimmy im Winter (Illustration: Maria Knuth)
Jimmy im Winter (Illustration: Maria Knuth)

Tagebuch eines außergewöhnlichen Katers

Was bisher geschah: Wieder ist ein Katzenjahr vorbei. Jimmy wohnt bereits sechs Jahre in der HafenCity. Die ursprüngliche Baustelle ist jetzt sein Kiez, und er kennt alle Schiffe, die rein- und rausfahren. Aus dem pubertären und psychotischen Kater ist ein ernster Kolumnist und ein beliebter Lokalheld geworden. In seinem Fell taucht das eine oder andere graue Haar auf.

Den Jahreswechsel habe ich genutzt, um mein Leben neu auszurichten. Ich bin nicht mehr MaMas Gefangener. Unser Vermieter hat mir einen eigenen Haustürschlüssel ausgehändigt und mich als zusätzlichen Hauptmieter in den Vertrag aufgenommen. Nach langwierigen Verhandlungen verfügt unser Fahrstuhl jetzt sogar über eine Katzenklappe und über eine Fernbedienung. Das ist entweder meinem Promistatus zu verdanken oder der Drohung, dass ich MaMas Autositze zerfetze. Egal, ich konnte mich durchsetzen und lebe jetzt auf Augenhöhe mit MaMa. Naja, zumindest so lange bis sie sich – wie sie hysterisch androhte – eine eigene Wohnung in diesem Stadtteil leisten kann. Da hier mehr Büros als Wohnungen gebaut werden, dürfte MaMas Auszug noch auf sich warten lassen, und ich kann sie weiterhin als Futterquelle behalten. Damit habe ich den Rücken frei und kann mich um meine Karriere kümmern. Weil ich nach den mitternächtlichen Bombenangriffen an Silvester nicht wieder einschlafen konnte und auch meine Anrufe bei der Polizei keine Ruhe brachten, habe ich die Zeit genutzt und einen Karriereplan aufgestellt. Der wichtigste Eckpunkt auf meiner Liste betrifft meine Work-Life-Balance: Zwei Drittel des Tages zu verschlafen, wird meine Lieblingsbeschäftigung bleiben; ein Drittel des Tages werde ich weiterhin mit Fressen verbringen bzeziehungsweise damit, MaMa zu hypnotisieren, damit sie meinen Futternapf füllt, und die restlichen zwei Drittel investiere ich auch künftig in meine Karriere. Weil meine Zeit sehr knapp bemessen ist, benötige ich ein Fortbewegungsmittel. Zum Glück gibt es in der Zwischenzeit individuell angepasste Skistiefel und -bindungen für berufstätige Katzen. Somit kann ich im Winterhalbjahr die Diskussion um ein eigenes Auto aussetzen und mich auf das Wesentliche beschränken. Mein Bewerbungsschreiben für DSDSK (Abk. für Deutschland sucht den Superkater) liegt bereits frankiert in meiner Ausgangspost. Mit meinem Mitarbeiterstab diskutiere ich darüber, ob meine Katzenmemoiren in unser Sortiment passen, und in diesem Jahr stellt sich wieder die K-Frage: Der Bundeskater steht wieder zur Wahl! Es gibt viel zu tun! Die von mir in Auftrag gegebenen Umfragen bestätigen meinen hohen Bekanntheitswert, und meine – bezahlten – Vorträge zum Thema „ Haustiere in der HafenCity: Chance oder Bedrohung?“ bringen mir gerade unter den Hunden in diesem Stadtteil hohe Sympathiewerte ein. Zurzeit führe ich Gespräche mit der Catzen für Deutschland Union (CDU) und mit der Sanften Pfoten Delegation (SPD) sowie mit allen anderen demo-katzischen Parteien und knabbere mich sorgfältig durch alle Parteiprogramme durch. Vielleicht gründe ich noch meine eigene Partei? Bis es soweit ist, muss ich ausgeschlafen sein. Schnurr … (JF)