Mein Leben in der HafenCity. Von Jimmy F.

Moby und Jimmy (Illustration: Maria Knuth)
Moby und Jimmy (Illustration: Maria Knuth)
Tagebuch eines Gefangenen

Was bisher geschah: Jimmy F. lebt seit fünf Jahren in einem goldenen Käfig in der Hamburger HafenCity. Seine MaMa (Abk. für: Mach’ mal schnell das Essen auf meinen Teller!) hat ihn aus dem Tierheim geholt und ihm ein liebevolles Zuhause gegeben. Jimmy dagegen glaubt, dass er entführt wurde. Mit der Außenwelt kommuniziert er unter anderem über seine Kolumne …

Oh, oh! Jetzt habe ich ein Problem. Mein Herausgeber steht vor der Tür mit einer Salamistange in der Hand und will diese gegen meine neueste Kolumne tauschen. Wie erkläre ich ihm, dass ich diesen Monat keine Zeit zum Schreiben hatte? (Anm. der Red.: Jimmy, wir haben Dir den Abgabetermin doch rechtzeitig gemailt.) Ich versuche ihm zu erklären, dass mein Leben nicht so einfach wie das Leben von Menschen ist und dass ich auch wichtige gesellschaftliche und soziale Aufgaben zu erfüllen habe. Meine ausgefeilte Argumentation hilft scheinbar nicht; er wird die Salamistange nur gegen Buchstaben herausrücken. O. K., dann schreibe ich eben: Der Dezember fing gut an, ich hatte einen Fluchtplan und wollte spätestens zum Nikolaus in die „Stadt der Katzen” ziehen, wo ich mir bereits eine Wohnung mit Napf und Katzenklo ausgesucht hatte. Und dann wurde ich verpfiffen. Irgendjemand hat MaMa erzählt, dass ich Fluchtpläne habe (Anm. der Red.: Wir waren es nicht. Ehrenwort!), danach folgten tagelange Diskussionen, erst bekam ich mein Fressen und dann sollte ich erklären, warum und wieso ich eine eigene Wohnung haben will.

Als ich schwieg und meine Fluchthelfer nicht verpetzen wollte, griff MaMa zu unfairen Tricks. Als erstes schaltete sie auf unserem Balkon die Heizung aus, sodass ich keine Lust mehr hatte, rauszugehen, dann schmückte sie unser Wohnzimmer mit tollen Fußbällen (Anm. der Red.: Jimmy, bist Du sicher, dass das nicht Weihnachtskugeln sind?) und dann wurde es ganz fies: Sie holte Moby – ein 21 Jahre alter schwarz-weißer Kater–, der sonst bei MaMas Schwester wohnt, zu uns in die Wohnung. Seitdem bin ich total busy und komme mit meiner Zeit nicht mehr aus. Ich muss jetzt für zwei fressen, da Moby aufgrund seines hohen Alters oft keinen Appetit hat, und ich unterhalte mich mit ihm. Er erzählt mir dann von seiner Jugend, als er noch ein gefürchteter Freigänger war und Mäuse jagte.

 Seine Berichte sind so spannend, dass er vergisst zu fressen und für mich schon wieder eine Zusatzportion abfällt. Wir sind echte Kumpels, und daher verrate ich ihm mein großes Geheimnis. Ich habe eine zweite MaMaMa, sie heißt Madame MadameMauvais (Anm. der Red.: Kann es sein, dass er damit Frau Frauböse, unsere Kultur-Chefredakteurin meint?), und die simse ich immer an, wenn MaMa und ich unterschiedlicher Meinungen sind. Sie hat mir auch schon mal angeboten, dass ich zu ihr ziehen kann. Ich finde das Angebot toll und stelle mir vor, wie ich an dem weißen Kratzbaum aus Leder meine Nägel schärfen kann (Anm. der Red.: Das hört sich doch nach Anjas weißem Ledersofa an …). Also hecke ich mit Moby einen weiteren Fluchtplan aus …