Wer liefert ist geliefert

Und wieder fette Beute für die Abschlepper
Und wieder fette Beute für die Abschlepper

Theorie und Praxis bei der Stadtplanung

„Sie dürfen hier nicht stehen!“ ist einer der am häufigsten in der HafenCity gehörte Satz neben „Wie komme ich denn zum Miniaturwunderland?“. Während letzterer einer ausufernd naiven – um nicht das Wort Dumm in den Mund zu nehmen – Stadtmöblierung zur Desinformation von Touristen geschuldet ist, ist der erstere ein Ärgernis für alle, die ein Geschäft in der HafenCity zu erledigen haben. Dabei endet die Bandbreite der Betroffenen nicht bei den Gewerbetreibenden, die auf irgendeine Art mit Waren beliefert werden müssen, sondern greift in alle Lebensbereiche der HafenCity ein. Eine typische Szene morgens rund um die Katharinenschule: In allen Straßen im Einzugsbereich der Schule stehen Autos mit aktivierter Warnblinkanlage, ein Hindernisparcours für alle unbeteiligten Rad- und Autofahrer. Aggression macht sich breit, dazwischen wuseln Mütter und Väter mit ihren Kindern an der Hand durch den nur scheinbar ruhenden Verkehr. Gut beraten ist, wer morgens einen großen Bogen um die Schule macht und sein Nervenkostüm schont. „Was bringen die Eltern auch ihre Kinder mit dem Auto zur Schule?“ fragen die Planer und andere Unbeteiligte – und liegen damit voll neben der Realität. Denn das ist hier nicht die Frage – sie tun es und eigentlich hätte es bei der Planung einer Schule, die auch für die Angestellten in der HafenCity gedacht ist, klar sein müssen das Eltern ihre Kinder auch mit dem Auto bringen. Nächste Szene: Radweg vor dem 25hours Hotel an der Überseeallee – oder sollte man besser Parkstreifen sagen? Selten die Momente, in der der Radweg tatsächlich als Radweg genutzt werden kann. Die Regel ist eher dass sich hier Gäste, Taxifahrer und Lieferanten die Hand reichen und tatsächlich kein Meter Radweg frei ist. Böse Autofahrer? Was stehen die da auch? Zu einfache Erklärung. Wer ein Hotel plant – und das sind nicht nur die Architekten sondern in solchen Belangen auch die Planer der Stadt – sollte auch damit rechnen, dass das Hotel Gäste und Lieferanten hat die nicht die Tiefgarage benutzen wollen oder können. Neuer Aufzug in dem surrealistischen Stück, nun zeigt die Szene den Kaiserkai: Das Auto eines Galeristen steht mit Warnblinkanlage auf der Straße vor seiner Galerie, der Galerist selbst hebt schwere Skulpturen aus dem Kofferraum und trägt sie in seine Räumlichkeiten. Auftritt Polizei: „Sie dürfen hier nicht stehen!“ Der nun startende Dialog findet in leichten Variationen jeden Tag in endloser Wiederholung statt: „Ich muss aber ausladen und alle Parkplätze in der Nähe sind belegt.“ Die Antwort des Polizisten ist der „Running Gag“ der nächsten zehn Minuten: „Sie dürfen hier nicht stehen!“ In der Folge geht die Begegnung Polizist und Galerist so aus wie fast jedes Mal, die Staatsmacht hält die Hand auf und sammelt 20, wahlweise auch 40 Euro ein. Ein lukratives Geschäft, bei der man fast auf die Idee kommen könnte, dass die Planer am Umsatz beteiligt werden. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass diese wesentlich erfolgreicher bei der Planung von vier- bis sechsspurigen Straßen in und durch die HafenCity durchaus in der Lage sind Verkehrsströme langfristig vorherzusehen und sie komfortabel und bequem in die Falle zu locken. Stellt sich die Frage, ob denn das nur die Fehler aus den Anfängen der HafenCity sind und es in Zukunft besser wird? HafenCity 2.0 – endlich klappt es auch mit dem Verkehr? Eher nicht wenn man sich die Entwicklungen anschaut. Im Einzugsbereich der HafenCity entsteht zur Zeit eine zweistellige Zahl von Hotels mit mehreren tausend Betten und daraus resultierenden Verkehrsaufkommen – dazu wird stadtweit die Verpflichtung zum Bau von Parkplätzen stark gelockert. Beides eigentlich positive Entwicklungen, doch es steht zu befürchten dass sich Anspruch und Realität weiter zugunsten der Stadtkasse beißen. Ein halber Stellplatz pro Wohnung reduziert zwar die Baukosten, in der Realität suchen sich die Aspiranten für die andere Hälfte ihre Stellplätze aber woanders. Blickt man hinter die Kulissen der Wohnprojekte in Hamburg, bei denen autofreies Wohnen proklamiert wird, stellt man häufig fest, das die Autos schlicht woanders geparkt werden. Praxisnah wäre in diesem Falle nicht die Reduzierung der Stellplatzverpflichtung, sondern eine Flexibilisierung des Zuganges zu den Stellplätzen mit separaten Eingängen für externe Mieter von Parkplätzen. Der zusätzliche Aufwand für eine weitere Garagenebene hätte sich schnell durch die Vermietung wieder eingespielt. Aber das ist ja Praxis – und die ist ja bekanntlich doof. Viel schöner ist es am grünen Tisch die Autofalle HafenCity zu planen und ordentlich am Schluss abzukassieren. Apropos Abkassieren: Wieso gibt es eigentlich keine Blitzanlagen auf den Rennstrecken in die HafenCity? War nur eine Scherzfrage, die Antwort ist zu einfach: Weil sich im zukünftigen Dauerstau Blitzanlagen nicht rentieren.