Bridging the Gap – sind Frauen klüger?

Diskussion im Thalia-Theater
Diskussion im Thalia-Theater

Ein Nahost-Dialog zwischen arabischen, deutschen und israelischen Frauen im Thalia Theater

Eine hochkarätige Runde hatte sich am 7. April im Thalia Theater eingefunden, um über das Thema „Pulverfass Nahost – sind Frauen klüger?“ zu diskutieren.

Die Einführung übernahm Thalia Theater Intendant Joachim Lux, der, die leicht chaotische Situation mit dem Umgang der Simultanübersetzungsgeräte ins Auge nehmend, feststellte, dass das „Bridging“ nicht so sehr das Problem sei, sondern vielmehr „the gap“. Die erste Hürde ist oftmals die Sprache.

Es diskutierten Gihan Abou Zeid (Menschenrechtsaktivistin in Kairo), Dr. Hanan Ashrawi (ehem. Sprecherin der palästinensischen Delegation im Nahost-Friedensprozess), Rafif Jouejati (Sprecherin des Lokalen Koordinierungskomitees der Oppositionsdemonstrationen in Syrien), Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger (Professorin an der University of Haifa in Israel), Claudia Roth (Bundesvorsitzende „Bündnis 90/Die Grünen) und Alice Schwarzer (Herausgeberin der Frauenzeitschrift „Emma“).

Angekündigt – und aus politischen Gründen nicht anwesend, war auch Sihem Badi, die Ministerin für Frauen und Familie aus Tunesien, die am Vortag von ihrem Amt zurücktrat. Trotzdem waren viele junge tunesische Frauen und Männer, die gerade in Deutschland eine Ausbildung machen, zu der Veranstaltung erschienen und nahmen Stellung zur Situation in Tunesien.

Rafif Jouejati fasst die momentane Situation in ihrer Heimat Syrien zusammen – vier  Millionen Menschen seien auf der Flucht, es gebe bereits 75.000 Tote, das Geld aus dem Westen komme nicht bei den Menschen an, die es benötigen, Schulen sind geschlossen, Menschen können seit zwei Jahren nicht ihrer Arbeit nachkommen.

„Ich habe mich geschämt“, sagt Claudia  Roth, gerade aus der Türkei zurückkommend, wo sie syrische Flüchtlingslager besucht hat. Die Menschen kommen mit den Flüchtlingsmassen nicht mehr zurecht, die Situation eskaliere, es gebe Zuhälterei, Frauen würden verkauft werden. Die Menschen sind auf der Suche nach der Gegenwart und nach einer Zukunft, viele Deserteure gehören dazu, die nicht mehr ihre Mitmenschen umbringen wollen.

„Und in Deutschland debattieren wir, ob wir 5.000 Flüchtlinge aufnehmen und ob diese Christen seien“, so Roth.

In Ägypten gebe es ein neues Lebensgefühl, gerade für Frauen. Früher sei sie nie im kurzen Rock auf die Straße gegangen und habe in der Öffentlichkeit Freunde umarmt, so Gihan Abou Zeid. Dies sei jetzt möglich. Auch ihre Tochter gehe zu einer modern dance Gruppe – ein positives Zeichen. Frauen wagen sich, bei sexuellen Übergriffen an die Medien zu treten, dies werde sogar von den männlichen Familienmitgliedern unterstützt – früher wäre das ein großes Tabu und unmöglich gewesen.

Reges Interesse
Reges Interesse

Alice Schwarzer, sich selbst als euphorisch bezeichnend, stellt fest, dass wir lernen müssten, realistisch zu bleiben: „Weltliche Tyrannen wurden in diesen Ländern gestürzt – doch was kommt danach?“ Die Islamisten seien die einzig wirklich Organisierten – und übernehmen die Macht. Dies sei schon in den 70er Jahren so gewesen, als Algerien die Unabhängigkeit erlangte, dasselbe sei in Ländern wie in Afghanistan  passiert, und nun auch in Ägypten. „Wieder sind Frauen nicht organisiert“, so Schwarzer. Und wieder müsse man bei Null anfangen, wenn es um Emanzipation geht.

Dr. Hanan Ashrawi sieht in ihrem Land Palästina gleich zwei Probleme; nicht nur den Konflikt mit Israel, sondern auch den zwischen Mann und Frau. „Man könne nicht für die Freiheit kämpfen, ohne die Frauen zu berücksichtigen“, so Ashrawi. Aufstehen und Aussprechen, so ihre Devise. Und natürlich sehe sie es kritisch, wenn die deutsche Regierung U-Boote an Israel liefere, ein Land mit der größten Armee in der Region, das ein anderes unterdrückt.

Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger antwortet nicht auf die Frage, wie sie das palästinensische Frauenbild sieht. Sie fordert hingegen Deutschland auf, mehr für die muslimische Minderheit im eigenen Land zu tun. Und Demokratie sei heute kein westlicher Wert mehr, sondern ein universeller.

Pulverfass Nahost: es gibt viel Bewegung, einige positive Bewegungen, aber sicher vieles, was in die richtige Richtung gelenkt werden muss.

Und sind Frauen nun klüger? Hier jedenfalls ist sich die Runde einig. Frauen seien nicht klüger, aber verantwortungsbewusster und sachlicher. Und dies bekommt das Publikum im Thalia Theater eindrucksvoll demonstriert – man muß nicht einer Meinung sein, man kann unterschiedliche religiöse und kulturelle Hintergründe haben  – und sich trotzdem auf hohem Niveau austauschen. Wir sollten lernen, einander zuzuhören und zu respektieren, ohne den Gegenüber zu belehren und gleich von der eigenen Haltung überzeugen zu wollen.