Im Auftrag der Kanzlerin

Staatsministerin Aydan Özoguz (Foto: TEN)
Staatsministerin Aydan Özoguz (Foto: TEN)

Im Gespräch mit der Staatsministerin und Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Aydan Özoguz

Frau Özoguz, wie beschreiben Sie Ihre Aufgabe als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im Jahre 2015 angesichts der weltweiten Flüchtlingssituation?

Weltweit sind knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Bei uns in Deutschland werden mindestens 800.000 Asylsuchende in diesem Jahr erwartet. Das ist natürlich eine große Herausforderung für unser Land. Auch wenn momentan Fragen wie Unterbringung und Versorgung der Menschen am dringendsten sind, müssen wir mittel- und langfristig für eine ordentliche, vorausschauende Integrationspolitik für diejenigen sorgen, die bei uns bleiben werden. Da gilt es, jetzt die Weichen zu stellen. Wer hier eine Bleibeperspektive hat, muss sofort Angebote zur Integration bekommen. Hierzu gehören Maßnahmen zum Spracherwerb und dann zur Integration in die Ausbildung oder in den Arbeitsmarkt. Glücklicherweise helfen unglaubliche viele Menschen in Deutschland ehrenamtlich bei diesen Aufgaben.

 

Die sich aber auch im Moment ein bisschen allein gelassen fühlen, oder?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt unglaublich gut organisierte Ehrenamtliche, die bewundernswerte Strukturen aufgebaut haben. Schauen Sie sich nur die Messehallen an. Ich habe mit den Ehrenamtlichen aus den Messehallen gerade am Wochenende gesprochen und bin beeindruckt von ihrer Professionalität. Natürlich sind einige dabei, die sich aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung mit Logistik auskennen, aber viele bringen einfach nur ihr Engagement mit und wollen anpacken. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen stoßen Freiwillige allerdings zunehmend an ihre Grenzen. Viele engagieren sich erstmals in ihrem Leben, es fehlt ihnen zudem an einer Einarbeitung in ihre Tätigkeit. Deswegen habe ich gerade ein Projekt mit den Wohlfahrtsverbänden gestartet, um Strukturen aufzubauen, damit Ehrenamtliche besser geschult werden und hauptamtliche Ansprechpartner bekommen.

 

Sie sagen ja auch, dass Deutschland sich verändern wird. Wie wird Deutschland 2020 aussehen?

Das kann niemand heute sagen. Wenn nächstes Jahr in Syrien Frieden wäre, würden sicher viele Syrer unser Land wieder verlassen. Aber wir wissen nicht, wie sich die Lage dort entwickeln wird. Klar ist: Viele Menschen werden auch bleiben. Die gute Nachricht ist, dass wir uns dadurch auch verjüngen. Man konnte ja schon den Eindruck bekommen, dass es fast keine Kinder mehr geben wird, wenn wir mal alt sind. Das ändert sich jetzt. Das ist eine sehr positive Nachricht, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Auf der anderen Seite bedeutet das, dass Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturen zusammenkommen. Das verändert eine Gesellschaft natürlich.

 

Viele sind besorgt und äußern ihre Ängste, dass zu viele Menschen nach Deutschland kommen. Können Sie das nachvollziehen? Sie sind ja selbst auch teilweise angegriffen worden, z.B. auf Facebook. Wie gehen Sie damit um?

Ich finde, da muss man unterscheiden. Es gibt Menschen, die sind unsicher, die fragen sich, „wo das alles hingeht“ und vor allem, wie die Politik handelt. Viele wissen gar nicht, wie viel die Bundesregierung und vor allem die Landesregierungen und der Hamburger Senat schon in die Wege geleitet haben. Das stelle ich immer wieder in meinen Gesprächen fest, wenn die Leute mir sagen, „das wussten wir ja gar nicht“. Also, Befürchtungen und Ängste muss man ernst nehmen und offen und ehrlich über die Flüchtlingspolitik informieren. Aber dann gibt es die anderen, die mich auch auf Facebook angreifen, die gegen Flüchtlinge hetzen und da kann man nicht mehr von besorgten Bürgern sprechen. Einige von denen sind einfach ganz klar Rechtsextreme. Das Flüchtlingsthema kommt ihnen gelegen, weil es Ängste hervorrufen kann und sich gut instrumentalisieren lässt. Das geht natürlich gar nicht.

 

Sie sind ja auch Hamburger Bundestagsabgeordnete. Wie schätzen Sie die Pläne des Hamburger Senats ein, Wohnblöcke eigens für geflüchtete Menschen zu bauen? Kommt es so nicht automatisch zu einer Ghettoisierung und erschwert das die Integration nicht?

Ich weiß, dass der Senat und die Bezirke im Moment alles dafür tun, dass Flüchtlinge überall in der Stadt untergebracht werden können. Wenn Flächen nur so genutzt werden dürfen, dass man nur Flüchtlinge auf ihnen unterbringen kann, ist das keine Lösung. Wir brauchen einfach Wohnungen für alle, die in sozial schwierigen Lagen sind. Wir brauchen sozialen Wohnungsbau und zwar nicht nur für Flüchtlinge, sondern für alle! Und deswegen will Hamburg bei der Flächennutzung eine Flexibilisierung hinbekommen, damit möglichst von Anfang an die richtige Mischung entsteht. Wir wissen ja, dass nur das funktionieren kann.

 

Also keine Wohnblöcke wie in Steilshoop oder Mümmelmannsberg?

In Steilshoop wohnen ja nicht nur Migranten. Wir haben da eine gute Mischung und sogar eine sehr geringe Fluktuation. Das ist also kein Schreckensbild. Und architektonisch werden heute sicherlich andere Akzente gesetzt als im Wohnungsbau Anfang der 1970er-Jahre. (ten)

 

Das Interview mit der Beauftragten der Bundesregierung für  Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoguz, führte Edda Teneyken für die HafenCity Zeitung.    TEN

 

 

 

 

Der Zustrom an Flüchtlingen Richtung Europa reißt nicht ab weltweit sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht (Foto: Fotolia/bumann)